wieder Hoffnung schöpfen
Liane saß am Küchentisch und sah enttäuscht zum Fenster hinaus. Der
Himmel sah schon wieder so aus als würde es gleich zu regnen beginnen.
Schade dachte sie so bei sich, also, wird es heute wohl wieder nichts,
dass sie eine Fahrt mit ihren neuen Sportrolli unternehmen kann. Seit
zwei Wochen regnete es ununterbrochen.
Bevor sie den Unfall hatte, ist sie bei jedem Wetter losgelaufen und hat
es genossen, wenn der Regen, Schnee oder die Sonne sie im Gesicht
berührten. Kein Wetter hatte sie daran gehindert hinaus in die Natur zu
laufen. Schon als kleines Mädchen konnte man sie nicht dazu überreden,
erst abzuwarten bis es dann aufgehört hatte zu regnen oder zu schneien.
Bis die Eltern es aufgaben, sie daran zu hindern hinaus zu laufen. Für
jede Witterung hatte sie passende Kleidung im Kleiderschrank zu hängen.
Ihre Eltern haben anfänglich nur mit dem Kopf geschüttelt und sich
gefragt, von wem sie diese Art geerbt hatte. Die Mutter war eher eine
Frostbeule und der Vater ein Stubenhocker. Sobald es draußen wärmer
wurde, bestand sie darauf, dass der Vater zusammen mit ihr dass kleine
Einmannzelt im Garten aufstellte. Sie liebte es nachts in den Himmel zu
schauen und von fernen Galaxien zu träumen. Ihre Schwestern belächelten
sie und teilten diese Leidenschaft zur Natur nicht mit ihr. Greta ihre
zwei Jahre ältere Schwester tat manchmal so, als würde sie ihre jüngste
Schwester nicht kennen, weil man sich im Dorf über sie lustig machte,
wegen ihrer seltsamen Art. Claudia ihre zweit älteste Schwester fand ihr
Verhalten ganz und gar nicht ungewöhnlich.
In der Schule und in der Nachbarschaft gingen ihr die Kinder aus dem
Weg, doch das störte Liane ganz und gar nicht, denn sie reichte sich
selbst völlig. Im Dorf sprach man davon, dass sie krank und nicht normal
sei!
Ein Junge trat eines Tages auf offener Straße ihr in den Weg und
beschimpfte sie, hau ab du Scheusal, wir wollen Dich hier nicht haben.
Liane tat so als würde sie dies gar nicht hören, da nahm der Junge einen
Stein auf und schleuderte ihn nach ihr. Der Stein traf sie völlig
unerwartet am Kopf. So gleich fiel sie in Ohnmacht und ab da konnte sie
sich nicht mehr erinnern, was dann mit ihr geschah.
Viele Monate hindurch schwebte sie in Lebensgefahr. Die Ärzte hatten sie
schon aufgegeben und die Eltern auf den Tod vorbereitet.
Die Eltern weinten viele Wochen hindurch bittere Tränen. Claudia
verbrachte viele Stunden bei Liane am Bett, sang und las ihr viel vor.
Liane, sprach sie, auch wenn ich Dich merkwürdig finde, mag ich dich gut
leiden. Ja, leider habe ich dir dass nie gezeigt und gesagt. Wie oft
habe ich mich wegen Dir mit den anderen Kindern geprügelt, denn Ich
wollte nicht, dass sie so über Dich sprechen, da ich Dich nur so als
deine Schwester sehen durfte. Manchmal ist man doch noch ziemlich naiv
als Kind, nicht war? Nun ja, es ist schon traurig, dass erst dieser
Unfall geschehen musste, bis ich es begriff! Da schlug Liane plötzlich
die Augen auf und sah Claudia freundlich an. Claudia lief sofort zum
Schwesternzimmer hin und rief völlig aufgebracht, sie wird wieder.....!
Kommen sie bitte mit mir, meine Schwester hat gerade die Augen geöffnet.
Die Krankenschwester sah sie mit völlig verblüfftem Gesichtsausdruck an.
Ja, es stimmt rief Claudia außer sich.
Kommen sie schnell! Die Krankenschwester folgte ihr mit schnellen
Schritten und Liane sah der Krankenschwester mit wachen Augen geradewegs
ins Gesicht. Die Krankenschwester beugte sich zu ihr hinunter und fragte
dann, wie geht es dir denn? Die Lippen wollten ihr noch nicht so recht
gehorchen so kam nur ein schnarren aus ihr heraus.
Mensch Madel, das ist ja wunderbar, dass Du doch wieder ins irdische
Leben zurückgefunden hast. Da umarmte die Krankenschwester Claudia
beherzt und sprach beruhigend auf sie ein. wir müssen sofort Deinen
Eltern Bescheid geben, dass deine Schwester wieder zum Leben
zurückgefunden hat. Ja, lachte Claudia schallend auf und trat zu ihr ans
Bett und legte ihre Hand sanft auf die ihre.
Die Krankenschwester war lange fort und als sie wieder kam, brachte sie
die Eltern mit. Kleines sprach der Vater, wir freuen uns, dass unsere
Gebete geholfen haben. Du lebst und wir werden alles darum geben, Dir
dabei behilflich zu sein, wieder ins Leben zurück zu finden. Die Mutter
sagte nichts. Sie saß bekümmert da und sah ihr besorgt in die Augen. Als
würde sie befürchten, dass sie sogleich wieder ins Koma zurückfallen
könnte. Sonja Liebes, sprach der Vater liebevoll zu ihr, habe keine
Sorge, Sie wird es schaffen, das haben mir die Ärzte versichert. Greta
kam nie zu ihr ins Krankenhaus, und auch nicht als sie schon wieder so
weit hergestellt war, dass sie für einige Zeit im Bett aufrecht sitzen
durfte und sich auch wieder mitteilen konnte.
Eines Tages fragte sie Claudia nach Greta. Claudia wollte ihr
ausweichen, aber Liane ließ nicht locker. Nun ja, Greta möchte Dich
nicht sehen, sie meint sie würde nicht deine Schwester sein. Sie habe
noch nie viel Notiz von dir genommen und bräuchte nun jetzt auch nicht
mehr damit zu beginnen. Du seiest für sie wunderlich und damit kann sie
nichts anfangen. In Liane stiegen kleine Tränen auf. Was sie so gar
nicht von sich kannte, denn sie konnte sich nicht daran erinnern, dass
sie je eine Träne vergossen hatte. Claudia sah das sofort, trat zu ihr
ans Bett und legte zum Trost eine Hand auf ihren Arm. Ja, das ist unsere
Schwester! Weißt Du, sie ist auf eine andere Art wunderlicher als Du.
Mama meint, all ihre drei Töchter seien so unterschiedlich, wie es nur
sein kann. Mama sagt, ich habe von uns dreien am meisten von Papa und
ihr geerbt.
Der Junge wurde leider nie gefunden, da sich Liane an sein Aussehen
nicht mehr erinnerte.
Viele Wochen hindurch musste sie im Krankenhaus verweilen, bis sie eines
Tages so gestärkt war um eine Rehamaßnahme anzutreten.
Anfänglich wehrte sie sich dagegen, weil sie nicht von ihrer Familie
getrennt sein wollte, bis der behandelnde Arzt eindringlich mit ihr
sprach, Liane, diese Maßnahme ist für Dein gesund werden sehr wichtig.
Es besteht nämlich noch die Möglichkeit, dass Du wieder laufen lernst.
Dafür musst du aber zur Reha gehen.
Die Reha-Klinik ist nicht weit von Hamburg entfernt, so können Dich
Deine Eltern und Freunde jederzeit besuchen kommen.
Freunde, hallte es in ihrem Kopf wieder, die hatte sie nicht. Das sagte
sie aber nicht.
Liane konnte sich gar nicht daran erinnern, jemals den Wunsch geäußert
zu haben, eine Freundin haben zu wollen. Wollte sie das denn überhaupt?
Jetzt irgendwie schon, hörte sie eine energische Stimme in sich
antworten! Aber wozu fragte sie sich? Die Stimme sprach unaufgefordert
weiter, damit Du dich mit ihr bezüglich Trauer ... austauschen kannst.
Aber das brauchte ich doch sonst auch nicht, drängte sie die Stimme zur
Ruhe. Ich kam bisher auch ganz gut allein mit mir zurecht. Kann schon
sein, ließ sich die Stimme nicht einschüchtern, jetzt ist eine andere
Situation. Na und! Ich will keine blöde Freundin, die alles nur besser
weiß! He, sprach die Stimme, woher weißt Du denn dieses, dass sie sich
Dir gegenüber so verhalten wird? Du kennst Sie doch noch gar nicht. Ich
weiß das eben, rief Liane ins schwarze Nichts.
Am nächsten Tag holte sie der Vater aus dem Krankenhaus ab und fuhr sie
mit dem Auto nach Büsum. Papa, sprach sie nun zu ihm, ich möchte das
nicht mehr. Ich habe große Angst vor dem, weil ich nicht weiß, was mich
dort erwartet; und dann weiß ich auch nicht, ob ich wahrhaftig die
Geduld dafür aufbringen kann, damit die Anwendungen auch ihren nötigen
Erfolg bringen werden? Herzchen Du schaffst das! Sicherlich Liane, das
wird nun ein harter beschwerlicher Weg für Dich werden. Kind, es ist so
wichtig damit es Dir bald wieder besser geht, denn wir wollen nichts
unversucht lassen, was wir später bereuen könnten, nicht gleich
anschließend etwas unternommen zu haben!
Mama und ich erhoffen uns durch die Rehamaßnahme sehr viel!
Sie gab unwillig nach und sah trotzig zum Fenster hinaus.
Das war jetzt acht Monate her wo sie aus der Reha zurück nach Hause
gebracht worden war. Man hatte sie vorzeitig aus der Reha entlassen,
weil sie sich an den Therapien nicht beteiligen wollte. Die Ärzte riefen
die Eltern an. Wir können im Moment nichts für ihre Tochter tun, so
lange Sie sich nicht an den Therapien beteiligt.
Nun gut, ich werde sie dann wohl abholen müssen, sprach der Vater
traurig. Daheim saß sie Tag um Tag am Küchentisch und sah wie gebannt
zum Fenster hinaus. Das einzige was sie innerlich froh stimmte, war dass
sie seit zwei Wochen von der Krankenkasse einen Sportrolli bewilligt
bekommen hatte. Der seit jenem Tag, als er geliefert worden war, noch
nicht ausprobiert worden ist, da es nur am regnen war. Allein im Regen
hinauszufahren erlaubte ihr die Mutter nicht. Da sie noch nicht allzu
gut mit dem Rollstuhl umgehen konnte. Die Mutter bot ihr ständig an,
zusammen mit ihr raus zu gehen. Dass wollte sie aber ganz und gar nicht.
Ihr war bange davor, mit ihrer Mom allein zu sein, weil sie dann diesen
Moment nutzte auf sie einzureden und das wollte Liane nicht. Da
verzichtete sie lieber darauf hinaus an die frische Luft zu kommen.
Irgendwann fragte ihre Mom sie überhaupt nicht mehr.
Plötzlich stand die Mutter neben ihr und riss sie aus ihren
Gedankenkarussell. Liebes, sprach sie, heute früh habe ich einen Anruf
von der Reha bekommen. Sie haben sich nach deinem Befinden erkundigt.
Sie wollen wissen, ob Du Dich noch weiterhin weigerst mit den
Rehamaßnahmen fortzufahren. Liane sah weiterhin unverwandt zum Fenster
hinaus. Da trat die Mutter auf sie zu und legte ihre feingliedrige Hand
auf ihren Arm. Bitte Kind, überlege es Dir noch ein Mal gründlich bevor
Du es erneut verneinst. Liane, Du hast große Chancen Dich eines Tages
wieder ohne Rollstuhl bewegen zu können. Natürlich nur, wenn Du Dich in
nächster Zeit in Behandlung begibst. Morgen wird Dich ein Rehatherapeut
anrufen und mit dir darüber reden wollen. Liane ... Sie verstummte,
denn das Telefon klingelte.
Liane starte ungerührt vertieft zum Fenster hinaus. Warum lassen die
mich nicht einfach in Ruhe? Was hat das Leben noch für einen Sinn? Als
Krüppel würde sie doch niemand haben wollen! Innerlich fröstelte sie bei
diesem Gedanken.
Am Abend kam eine Freundin ihrer Mutter vorbei und erzählte sehr
aufgeregt, dass ihre Cousine eine Freundin hat, wo der Mann vor zwei
Jahren einen schweren Autounfall erlitten hatte und genauso wie Liane
völlig an den Rollstuhl gefesselt gewesen ist. Seitdem er die
Rehamaßnahmen erfolgreich beendet hat, kann er wieder etwas laufen. Er
muss natürlich noch weiterhin zur Krankengymnastik gehen, aber sein
Gesundheitszustand ist stetig auf dem Weg der Besserung. Kindchen sprach
die Freundin nun Liane zugewandt, das schaffst du auch! Wir werden Dir
alle dabei behilflich sein.
Nein, schrie Liane, lasst mich einfach alle nur in Ruhe! Ich möchte
nichts mehr davon hören. Verschont mich nur mit euren Geschichten, die
gehen mich alle nichts an.
Die Mutter und die Freundin sahen sich entrüstet an. Also gut, hier gibt
es nichts mehr für mich zu tun, sagte die Freundin und stand verärgert
von Tisch auf. Dann werde ich mal gehen. Mira warte, ich bringe Dich
noch zur Tür. Lass gut sein, Sonja. Ich finde den Weg schon allein
hinaus. Die Tür fiel geräuschvoll ins Schloss. Also dann Liane, teilte
ihr die Mutter verstimmt mit Ich werde Dich in Zukunft auch nicht mehr damit
behelligen. Sie ging mit eiligen Schritten hinaus aus der Küche und
Liane hörte die Tür zum Wohnzimmer zufallen.
Am nächsten morgen saß der Vater ungewöhnlicher Weise noch in der Küche
und las die Zeitung. Liane kam aus ihrem Zimmer gerollt und platzierte
ihren Rollstuhl an den Küchentisch. Der Platz wo sie seit Monaten aus
dem Fenster starte war besetzt. Die Katze Finnia saß auf dem Stuhl der
sonst auf der anderen Seite des Tisches stand.
Ihr Vater sah nicht einmal von der Zeitung auf als sie ihn einen Guten
Morgen wünschte. Von weiten hörte sie ihre Schwestern und Mutter leise
miteinander reden. Da läutete dass Telefon neben ihr. Geh schon ran,
hörte sie die Stimme ihres Vaters unfreundlich hinter der Zeitung sagen.
Liane Peters ..... Dass ist ja super, hörte sie eine sehr wohlklingende
Stimme in der Hörmuschel sagen. Mit ihnen wollte ich auch sprechen.
Mein Name ist Thomas. Ich bin vom Verein der .... Sie ließ ihn gar nicht
mehr weiter sprechen sondern sagte, auf Wiederhören und legte auf.
Nun nahm der Vater die Zeitung vom Gesicht fort und starrte sie mit
gerunzelter Stirn an. Wer war das, wollte er wissen. Niemand den wir
kennen. Der hat sich offensichtlich nur verwählt. Nun ja, möchtest du
Kaffee Liane? Sie nickte nur mit dem Kopf unfähig noch etwas zu sagen.
Weißt du Kind, so kann es einfach nicht mit Dir weitergehen. Es macht
uns alle fertig, dass Du Dir nicht helfen lässt! Er achtete nicht auf
ihr verbittertes Gesicht sondern sprach unbeirrt weiter. Wenn Du Dir
nicht helfen lässt, dann müssen wir uns leider von dir trennen. Mama
kann schon bald keine Nacht mehr schlafen, weil sie sich so sehr um Dich
sorgt. Ich finde keine Ruhe mehr auf der Arbeit, weil ich innerlich so
wütend bin, weil Du Deine Chance wieder völlig hergestellt zu werden
vertust. Claudia zieht ab heute zur Oma, da sie es nicht mehr ertragen
kann wie du da sitzt und nur noch aus dem Fenster starrst. Ja, Greta hat
es bisher nicht interessiert, wie es Dir ergeht. Nun meint sie aber, wir
können nicht weiterhin tatenlos zuschauen, als würde alles in bester
Ordnung sein. Ich habe mir heute zwei Tage von der Arbeit frei genommen
um Dich heute und morgen nach dem Frühstück zu sämtlichen Einrichtungen
zu fahren, wo man sehr bequem als Rollstuhlbenutzer wohnen kann. Damit
Du Dir das entsprechende neue Zuhause selbst aussuchen kannst. Ich bin
es allmählich leid, mein eigenes Leben für dein Selbstmitleid nach
hinten zu stellen. Wir verstehen es sehr gut, dass Du dem neuen Leben so
mit Groll gegenüber stehst. Es ist ja nicht Dein Verschulden, dass Du
Dich nun in dieser prikären Lage befindest. Jedoch hilft es Dir nichts,
Dich völlig gehen zu lassen. Dadurch wirst Du auch nicht wieder laufen
können. Wir wären auch froh, wenn dies nie geschehen wäre!
Papa hörte sie sich sagen, das ist doch jetzt nicht euer Ernst! Habt ihr
mich denn überhaupt nicht mehr lieb? Es ist doch gar nicht raus, dass
ich jemals wieder richtig laufen kann? Kein Arzt hat mir 100% dies
bestätigen können. Immer sprechen sie nur davon, das eventuell ...!
Oh ja, das ist uns sehr Ernst, denn wir haben alle unser bestes gegeben
und sind sehr geduldig auf Dein Leid eingegangen. Sicher, doch haben wir
Dich sehr lieb. Darum macht es uns ja so onmächtig Dich so zu erleben.
Das steht jetzt jedoch außer Frage. Wir sind eben auch Menschen die das
Recht haben, sich wohl zu fühlen zu dürfen und das tun wir, seitdem du
von der Reha zurück bist, nicht mehr. Wir wollen das alle wirklich nicht
aber unsere Kräfte sind allmählich erschöpft. Ohne dass Du jegliche
Behandlung versucht hast, solltest Du die Hoffnung nicht begraben,
wieder hergestellt zu werden.
Vielleicht tut Dir eine neue Umgebung ja gut und Du wirst dort besser zu
Dir finden können. Wir hier sind keine ausgebildeten Therapeuten oder
Pflegepersonal. Wir dachten, wir würden dies als Deine Familie leisten
können, nun merken wir aber, dass wir damit völlig überfordert sind. So
lange Du jegliche Hilfe ablehnst, wollen wir uns von dir distanzieren,
da die Familie droht auseinander zu brechen. Mama und ich haben uns
darum an Herrn Thomas von der Reaklinik gewandt, ob er uns dies raten
kann, in unserem Fall so zu handeln, Dich erst einmal für eine
Übergangslösung in ein betreutes Wohnen zu geben. Bis wir und auch Du,
uns im klaren darüber sind, wie es wohl weiter gehen kann oder wird.
Herr Thomas hat uns zu diesem jetzigen Schritt ermutigt, damit Du
vielleicht dadurch eher zur Besinnung findest! Diese Maßnahme ist uns
nicht leicht gefallen, das musst Du mir glauben.
Pa-pa ....... Dass könnt ihr doch nicht so wirklich meinen? Oh doch, mein
liebes Kind, wir haben uns das sehr gründlich überlegt. Es muss endlich
ein Schlussstrich unter Dein Mitleid gezogen werden, bevor wir alle
völlig zusammen brechen. Schau jetzt nicht so böse drein Liane, es ist
uns entsetzlich ernst damit. Nein, bitte schickt mich nicht fort. Ich
verspreche euch, alles zu tun, damit ich wieder gesund werde. Nun ja,
dass kann ich nicht allein entscheiden, dafür müssen wir die anderen
Familienmitglieder hinzu ziehen, falls sie dazu kommen wollen. Bitte
Papa, ich will es versuchen! Lass uns bitte die anderen dazu holen. Er
stand sehr langsam vom Stuhl auf und sah sie dabei prüfend an. Gut ich
gehe zu den anderen und werde ihnen die neue Lage berichten. Es kann
jedoch dauern bis ich wieder zurück bin. Macht nichts, ich kann warten!
Es schien ihr, als würde die Zeit stehen bleiben. Als sie schon
glaubte, dass sie verloren hatte, stand die ganze Familie sogar
einschließlich älterer Schwester vor ihr. Also gut, wir haben uns
beraten, sprach der Vater sanft zu ihr. Wir wollen Dir noch eine Chance
geben. Danke, danke, ich werde alles Notwendige dafür tun, damit ich
bald aus dem Rollstuhl wieder aufstehen kann.
Jetzt ergriff ihre Mutter das Wort und zeigte auf dass Telefon. Ruf
bitte gleich in der Reha an und lass dir ein Termin geben. Die
Telefonnummer liegt neben dem Apparat. Liane zitterte am ganzen Körper
und wählte im Beisein ihrer Familie die Nummernfolge die auf dem Zettel
stand. Es meldete sich am anderen Ende dieselbe Stimme, wie diese, die
sie schon am Morgen am anderen Ende vernommen hatte. Die Mutter sah sie
erwartungsvoll an. Ja, hier ist Liane Peters. Der Mann am anderen Ende
schien erleichtert zu sein und sagte, das ist wunderbar ...!
Acht Augenpaare waren auf sie gerichtet! Ich möchte sofort mit der Reha
beginnen, sprach sie mit belegter Stimme in den Hörer. Der Vater und
auch die Mutter traten hinter sie und legten jeder eine Hand auf ihre
Schultern. Als wollten sie ihr damit sagen, Du, bist nicht allein mein
Schatz, gemeinsam schaffen wir dass schon, denn der erste Schritt ist
nun getan! Jetzt kann alles gut werden!
Liane sah in die Gesichter ihrer Familie und sprach zu ihnen, vielen
Dank! Dass ihr mich nicht aufgegeben habt!
Sie erwachte am Morgen mit klopfendem Herzen, denn sie fürchtete sich
vor dem, was ihr nun bevorstand. Da trat die Mutter ins Zimmer, guten
Morgen Liebes, wir glauben an Dich und wir lieben dich von ganzem Herzen.
Stell dir vor, der Regen hat nun endlich aufgehört. Mami bitte, zieh die
Gardine zur Seite. Ich möchte noch einmal hinaus sehen. Bevor ich für
längere Zeit fort bin.
Auf dem Baum vor ihrem Fenster saß ein kleiner Spatz und sah zu ihr ins
Zimmer!
Auf Widersehen kleiner Spatz, ich werde wirklich alles tun, damit ich
bald wieder laufen kann!
Der kleine Vogel nickte ihr ermunternd zu, als würde er sie verstehen
und hob zum fortfliegen an. Vor dem Haus stand die ganze Familie
erwartungsvoll und wartete bis Liane im Rehabus eingestiegen war. Ihre
Schwester Greta trat auf sie zu und nahm ihre Hand in die ihre und
sprach in besänftigtem Tonfall zu ihr.
Du, ich wünsche Dir viel Kraft dass Du diesmal die Reha durchhältst und
schnell bald wieder bei uns sein kannst. Auch wenn es anfänglich so
aussieht, als steuerst Du einem Untergang entgegen, geht ganz bestimmt
irgendwo ein zaghaftes Türchen auf.
Danke Dir, dass Du mir dies wünscht. Es wird mir ganz bestimmt dabei
helfen, wieder auf die Füße zu kommen.
Wir müssen allmählich losfahren drängte der Busfahrer ungeduldig, ich
muss noch andere Patienten von daheim abholen. Du schaffst das Liane,
rief die Familie ihr noch nach!
Sie sah noch lange aus dem Fenster und winkte bis sie niemanden der
Familie mehr erblickte.
Ein Jahr dauerte es, bis sie wieder soweit hergestellt war, dass sie
ohne Rollstuhl und Gehhilfe gehen konnte.