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Schloß Britz

Auf den Spuren vergangener Zeit

Neulich erfuhr ich vom Angebot, das es eine Tagesführung für Sehgeschädigte durch das ehemalige Rittergut Britz und dessen Schloß geben wird. Das machte mich darauf neugierig und ich meldete mich kurzerhand dafür an. Ich ahnte gar nichts davon, das es solch ein historisches Erbgut in Berlin noch gibt und dann dazu noch im Bezirk Neukölln, in dem ich groß geworden bin. Das es das Schloss in Charlottenburg und das auf der Pfaueninsel gab, war mir wohl bekannt.
Nun machte ich mich mit Spannung und Vorfreude im Gepäck auf den Weg dorthin.
Der Treffpunkt war auf dem U–Bahnhof Parchimer Allee. Von dort nahmen wir noch einen Bus, der direkt vorm Schloss hielt. Wir verwechselten versehentlich den Nebeneingang mit dem Haupteingang, da es für uns nicht so recht eindeutig war, wo sich nun der Haupteingang vom Schloss befindet.
Dadurch begannen wir gleich bei der Tierführung. Wir wurden schon erwartet. Ein sehr freundlich klingender Mann trat auf uns zu und hieß uns auf dem Gutshof Britz herzlich willkommen. Er erklärte uns wo wir uns gerade befinden und was er mit uns vor hat zu tun. Einleitend begann er nun zu berichten, dass wir vor dem ehemaligen Verwalterhaus des Gutshofes stehen, das seit 2008 von der Musikschule Paul–Hindemith–Neukölln genutzt wird. Weiter begann er zu erzählen, das die Kulturstiftung Schloss Britz eine Zusammenarbeit mit der U.S.E. seit 2007 eine robuste Tierhaltung mit historischen Nutztieren betreibt, um den schon fast verloren gegangenen ländlichen Charakter des Gutes wieder herzustellen.
Kindergruppen sind hier erwünschte Gäste und können im Rahmen pädagogischer Führungen, Hintergründe und Fachwissen über die Tierhaltung erfahren. Dieser Ansatz gefällt mir gut, so dass die Stadtkinder so mal hautnah an die Tierwelt herangeführt werden. Denn nur aufbereitetes Wissen aus Büchern und Medien reicht nicht aus um den Umgang mit lebendigen Tieren zu erlernen. Wir machten uns dann auf dem Weg zum Tierbereich.
Die erste Station war das Ziegengehege. Im Gehege gibt es 3 Ziegen an der Zahl, einen Bock der auf den Namen Oskar hört, sagte der Führer und 2 Ziegen, Schnecke und Klara, die dann auch neugierig zum Zaun getrottet kamen. Wir durften sie nur durch das Gatter anfassen und auch füttern, aber das Gehege nicht betreten, weil der Bock die 2 Ziegen wohl beschützt und dann auch mal schubsen würde, meinte er über sie sprechend sehr liebevoll zu uns.
Die nächste Station waren dann die Gänse. Wir durften nur Futter ins Gänsegehege werfen, sie aber nicht berühren oder mit der Hand füttern. Der Führer warnte uns inständig davor, da sie uns sonst mit ihren Schnäbeln wohlmöglich in die Hand hacken würden, wenn sie das Futter von unseren Händen nehmen wollen. wir bekamen später zur Anschauung ein paar Gänsefedern zum Fühlen in die Hand gelegt. Sie sind deutlich kleiner, als ich sie mir innerlich vorgestellt hatte und Sie sind leicht gebogen und sehr fein gegliedert. Ich fand die Gänse für meinen Geschmack fürchterlich laut. Es hört sich an, als würden sie immerzu aufgeregt sein.
Nun ging´s weiter zum Kaninchengehege. Nebenan hörte man noch sehr lebhaft die Hühner gackern. Als würden sie ein Ei nach dem anderen legen. Das können sie leider nicht mehr allzu oft, meinte der freundliche Mann zu uns. Dazu seien sie wahrhaftig schon zu alt. Sie wären lediglich, wie einige Tiere hier auf dem Gutshof auch nur noch für die Kinderführungen zur Anschauung da.
Es trat eine Tierhelferin mit einem Kaninchen auf ihren Armen auf uns zu und erzählte uns, dass das Kaninchen eine sie sei und das sie Penelope heißt.
Sie forderte uns freundlich auf sie zu streicheln. Was ich mir natürlich nicht zweimal sagen ließ. Das Fell fühlte sich so angenehm weich und warm unter meinen Fingerspitzen an. Ich war echt erstaunt, wie ruhig sie in den Armen der Helferin lag und ohne zu zappeln sich von mir streicheln ließ. Na klar, dämmerte es mir sehr bald, dass sie dies ja von den Kinderführungen bereits längst gewohnt war. Die Helferin legte mir Penelope in die Arme. Ich musste sie jedoch ein wenig abstützen, da sie sich an meiner Jacke überhaupt nicht festhalten konnte, da meine Jacke einfach viel zu rutschig für sie war. Hinterher war ich ganz bestäubt, mit Kaninchenhaar. Das störte weder Penelope noch mich. Die letzte Station der Tierführung war dann bei den Pferden, wo wir auch reiten durften. Auf der Pferdekoppel grasten friedlich 2 ausgemusterte Arbeitspferde die hier auf dem Gut ihren verdienten Lebensabend genießen dürfen. Die Pferde wären ehemalige Brauerei– oder Kutschpferde sagte man uns. Das eine hieß, Wuschel und das andere Mausi. Ich wurde zu Mausi hingeführt und ich tastete dann sehr vorsichtig mit meinen Händen das Pferd ab. Dabei stellte ich fest, wie groß es war. Ich schnappte mir den Steigbügel und versuchte mich mit einem Ruck auf Mausis ziemlich breiten Pferderücken zu platzieren. Und schon setzte sich Mausi in Bewegung. Ein Mann, der neben Mausi herging und beruhigend zu ihr sprach, reichte mir die Zügel und ich tätschelte ihr über den kräftigen Pferdehals. Ich hatte den Eindruck, das dies ihr gut gefiel und das freute mich natürlich sehr. Zwei ganze Runden durfte ich auf Mausi über die Pferdekoppel reiten. Es machte mir riesigen Spaß.
Am Ende der Tierführung übernahm Herr Puschnerus die weitere Führung durch’s Gut, Schlosspark und Schloss. Wir bedankten und verabschiedeten uns sehr herzlich bei unserem bisherigen netten Führer, der uns schon mal einen kleinen Einblick vom Alltag auf einem Gutshof anschaulich näher brachte.
Herr Puschnerus hatte eine Tastkarte für uns dabei, die uns den Umriss vom ganzen Gutsgelände haptisch gut darstellte. Die Linien und Symbole waren gut zu ertasten und die Legende in Braillevollschrift hatte auch eine ausgezeichnete Symbolerklärung und kurze Erläuterungen zu den unterschiedlichen dargestellten Gutshofbereichen. Das gefiel mir echt super, dass es solch Angebot schon vor Ort gab.
Herr Puschnerus wies uns darauf hin, das es beim Tierbereich am Wegesrand allerhand Maulbeerbäume gibt. Es rührt daher, dass hier einstmal Seide unter Ewald Friedrich Graf von Hertzberg angebaut wurde. Er entwickelte Schloss Britz zum Mustergut. Der reformfreudige Graf führte als Direktor der Seidenkommission mit viel Erfolg den Seidenbau in Britz ein und setzte in Britz eine mustergültige Landwirtschaft nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen um, meinte Herr Puschnerus schwärmerisch. Durch die bildhafte Erzählung von Herrn Puschnerus über den hervorragenden Grafen stellte ich mir innerlich einen feinen Herren vor, wie er völlig stolz seine eigene produzierte Seide in seinen fein gegliederten Händen hielt und wie dann später daraus aufwändig geschneiderte Kleidungsstücke hervorgingen.
Als nächstes führte uns Herr Puschnerus zum zentralen Hof, um den sich die ehemaligen Stallungen und Wirtschaftsgebäude gruppierten. Zunächst steuern wir auf den historischen Pferdestall zu, Erklärte uns Herr Puschnerus, damit wir eine ungefähre Orts Vorstellung bekamen, wo wir uns gerade befanden. Heute beherbergt der ehemalige Pferdestahl über zwei Etagen das Museum Neukölln und bietet einen umfangreichen Geschichtsspeicher, die Dauerausstellung 99 X Neukölln und wechselnde Sonderausstellungen.
Weiter ging´s dann zum ehemaligen Kuhstall. Der wurde von 2010–2011 zu dem heutigen Kulturstall umgebaut und bietet mit einer hervorragenden Akustik die besten Vorraussetzungen für klassische Konzerte. Auch die in Verlängerung zum Kulturstall errichtet Freilichtbühne wird vor allem in den Sommermonaten für Konzertveranstaltungen genutzt, sagte Herr Puschnerus. Wenn wir vielleicht ein wenig Glück haben meinte er, so könnten wir eventuell die Proben von einem Schulauftritt mitbekommen. Denn heute würde eine Schule aus Britz im Außenbereich für ein Musical proben. Schade so lange wir dort waren, haben sie nicht weiter geprobt. Das wäre sicher noch ein super Highlight zum heutigen Tag gewesen; bedauerten wir dies sehr.
Nun geht´s zum so genannten Schweizerhaus, das einst ein Schweizergardist erbauen ließ, beschrieb Herr Puschnerus uns fleißig weiter. Dort hat sich unter dem Namen "Buchholz – Gutshof Britz" ein neues Restaurant etabliert. Das konnte man ganz und gar nicht überriechen, dachte ich so bei mir und innerlich saß ich bereits an einem nett gedeckten Tisch und kauend vor mir stehend, eine köstlich zubereitete Speise.
Auf dem freien Platz zwischen den Gebäuden, erklärte uns Herr Puschnerus wird z.B. immer wieder ein Mittelalter– oder Weihnachtsmarkt abgehalten.
Es war sehr schade, das es hierzu keine Möglichkeiten gab, um sich die Gebäude besser vorstellen zu können, weder Karten mit Reliefdarstellungen noch kleine Modellgebäude waren vorhanden. Aber vielleicht wird das später noch angeschafft. Das wäre auf jeden Fall sehr hilfreich um einen genaueren Einblick zu erhalten. Denn zur Architektur von den Gebäuden auf dem Gutshof kann ich mich nicht mehr so recht erinnern, was Herr Puschnerus uns darüber erzählte. Bevor wir weiter in den wunderschön angelegten Parkbereich eintraten, kamen wir an einen Ort vorbei, wo einst eine Spritfabrik gestanden hatte. Die unter Johann Carl Jouanne Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet wurde. Die aber im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört wurde. Jedoch ist der Schornstein noch erhalten geblieben. Das muss ja interessant aussehen, dachte ich so bei mir. In meiner Vorstellung steht der Schornstein frei auf einem Sockel installiert in der Gegend herum. Ob dies wahrhaftig so ist?, kann ich nicht mit Gewissheit so sagen. Wir haben ihn leider nicht mit unseren Händen betastet.
Herr Puschnerus hatte vom Park auch eine sehr gut strukturierte Tastkarte mitgebracht, womit er uns anschaulich den Umriss vom Parkbereich und darin befindlichen Objekten näher brachte. Geduldig erklärte er uns die Karte und berichtete dazu sehr ausführlich den geschichtlichen Hintergrund.
Die Anfänge, so begann er, des Schlossparks vermutet man um 1690, wo man auch gleichzeitig mit der Erbauung des Schlosses auf dem Fundament des frühereren Fachwerkhauses 1706 begann.
Man legte einen typisch barocken Nutz– und Lustgarten nach holländischem Vorbild mit geradlinigen Wegen, Obstgartenbereich und einem Boskett im hinteren Teil des Gartens an. Herr Puschnerus berichtete uns, dass Heinrich Rüdiger von Ilgen hier an dieser Stelle 1719 die erste Robine pflanzte. Diese musste leider vor langer Zeit gefällt werden. Da sie alt und krank war. Man pflanzte jedoch an dieser Stelle erneut eine Robine. Wir durften sie betasten. Ihre Rinde war ziemlich mit Riefen und an den Stellen wo man sie irgendwann einmal gestutzt hat verwachsen. Wir bekamen Robinienblätter von Herrn Puschnerus in die Hand gelegt um die Blattform zu fühlen. Da fiel uns das Spiel wieder ein, was wir als Jugendliche mit den Blättern gespielt hatten. Er liebt mich er liebt mich nicht. Dabei wird immer ein Blatt von der Blattverzweigung das man in der Hand hält entfernt. Das war echt amüsant.
Ewald Friedrich Graf von Hertzberg baute ab 1753 den Garten weiter aus. 1840 wurde der Park unter Johann Carl Jouanne erweitert und überformt. Hier steht auch der inzwischen älteste Gingkobaum Berlins, teilte uns Her Puschnerus mit, als wir vor ihm standen. Goethe hat ein Gedicht mit dem Titel "Gingko Biloba" geschrieben, das sich auf diese Art Bäume bezieht und uns wurde erzählt, dass es in Sachsen–Anhalt einen Ort gab, wo ein Adliger exotische Bäume, die er aus fernen Ländern mitgebracht hatte, züchtete und dann verkaufte. Der Gingko–Baum stammt wohl auch von dort her sagte Herr Puschnerus und zitierte ein wenig aus dem Gedicht Göthes. Das gefiel mir echt sehr. Er berichtete weiter, das es weibliche und männliche Gingkobäume gäbe. Dieser hier wäre wohl ein männlicher. Das sehe man an den Blättern. Die vom weiblichen Ginkobaum würden sich zur Mitte des Blattes noch überlappen, und die weiblichen Bäume werden auch bedeutend größer. Dieser hier im Schlosspark wäre eher klein sagte er mit seinen 30 Metern. Auch diesmal gab er uns Blätter vom Baum in die Hand damit wir eine bessere Vorstellung von ihnen bekamen.
Der letzte private Gutsbesitzer, Wilhelm August Julius Wrede, ließ den Schlosspark ab 1890 ihn mit zeittypischen Gartenkunstelementen ausstatten. Es wurden u.a. neue kurvige Wege–Systeme, Blumenrabatten, exotische Topfpflanzen, ein Brunnen am Beginn und ein Gartenpavillon am Ende der zentralen barocken Lindenallee angelegt, wies uns Herr Puschnerus darauf hin, als wir am Pavillon vorübergingen.
1924 wurde das Gut an die Stadt Berlin verkauft berichtete Herr Puschnerus weiter und in den 30er Jahren wurde der Park für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
1990 wurde der Park unter Denkmalschutz gestellt und erhielt wegen seine außergewöhnlich guten Pflege 1997 den Gustav–Meyer–Preis, sagte Herr Puschnerus stolz. Er führte uns dann zur Skulptur "Das Milchmädchen", (Perette – die junge russische Muse) die 1816 Pawel Sokolow nach einer Fabel von de la Fontaine schuf, wurde 1998 zum Anlass der 10–jährigen Partnerschaft zwischen den Staatlichen Museen Zarskoje Selo bei St. Petersburg und der Kulturstiftung Schloss Britz als Bronzeabguss durch den Verein “Freunde und Förderer Schloß Britz e.V.” im Park aufgestellt, erzählte er weiter und ferner stehen im Glienicker Park ihre originalgetreuen zwei Schwesternkopien.
Wir durften sie mit unseren Händen betasten. Ich war gleich von dieser außergewöhnlichen Skulptur so angetan, als ich sie mit meinen Händen von allen Seiten betrachtet hatte. Ihre feinen Gesichtszüge waren sehr natürlich vom Künstler nachempfunden worden und das Mädchen das dafür Modell gestanden hatte, mußte wunderschön gewesen sein. Sie saß auf einem Felsen und hatte einen zerbrochenen Krug vor sich zu liegen.
Herr Puschnerus erzählte uns eine Geschichte, die um dieses Milchmädchen (Perette) herum berichtet wird.
Sie war wohl mit dem Milchkrug auf dem Kopf auf dem Weg zum Markt um die Milch dort zu verkaufen. Sie malte sich schon aus, was sie alles mit dem Geld was sie dafür bekommen sollte, kaufen konnte. Als sie sich so freute und in die Luft sprang, rutschte ihr der Krug vom Kopf und zerbrach und die Milch lief aus. Darum hat sie den Kopf auf ihre Hand gestützt und schaut so traurig drein.
Von ihr rührt auch der Spruch her: "Das ist eine Milchmädchenrechnung." Ich kann sie gut verstehen, dass sie so traurig dreinsah. Es würde mir an dieser Stelle sicher nicht anders gehen. Nun musste sie ohne etwas heimgehen und hat dort sicher noch großen Ärger bekommen. Diese Geschichte rührte mich zutiefst.
Von dort aus führte uns Herr Puschnerus etwas abseits vom Hauptweg über die Wiese zur mehreckigen Vogeltränke. Angefasst habe ich sie nicht lediglich mit meinem Stock betastet, da sie an dem Tag bis zum Rand mit Wasser gefüllt war. Als wir wieder auf dem Hauptweg zurück gingen machte uns Herr Puschnerus darauf aufmerksam, das Einige Bäume mit etwas netzartigen Stoffen umwickelt wurden. Es sei ein Schutz vor Sonnenbrand, da die Bäume nicht mehr so dicht nebeneinander stünden, wie bevor die anderen gefällt wurden, weil manche von ihnen krank oder sehr alt gewesen waren und daher nicht mehr genügend Schatten vom Nachbarbaum bekämen, so dass die Rinde dann Schaden nähme. Die Netze fühlten sich an, wie ein dicker Bast oder ähnliches in der Art.
Der Weg führte uns an den prunkvollen Springbrunnen vorbei und bevor es dann weiter in Richtung Schloss ging, verweilten wir noch eine zeitlang beim Brunnen.
Unsere letzte Station war nun das Schloß selbst.
Nun betraten wir den Eingangsbereich vom Schloß. Dort erhielten wir von Herrn Puschnerus für die Führung durch die Räume im Linkenflügel weiße Stoffhandschuhe, so dass wir die hier präsentierten historischen Möbel auch anfassen konnten. Zunächst führte er uns in das Konzertzimmer. Da wir vom Ausflug über das Gutsgelände und sehr ausführlichen Geschichtshintergründen doch ganz schön geschafft waren und um eine kleine Verschnaufpause baten. Herr Puschnerus nutzte jedoch die Zeit, um uns weiter durch die Vergangenheit zu führen.
Er setzte unermüdlich mit seiner Berichterstattung fort, dass das prächtige Gutshaus unter Graf von Herzberg Anfang des 18. Jahrhunderts an der Stelle eines mittelalterlichen Fachwerkhauses erbaut wurde und dass das Stadtgut Britz 2 Jahre vor Beendigung des Krieges durch mehrere Bombentreffer schwer beschädigt wurde. Der Wiederaufbau der teilweise zerstörten Gebäude des Gutshofes erfolgte dann ab 1947. Nach dem Krieg wurde das Schloss Britz fast 40 Jahre lang dann als Kinderheim genutzt. In nur 3 Jahren wurde das Schloss von 1985 bis 1988 vorbildlich restauriert und seit 1971 steht es unter Denkmalschutz.
Im oberen Stockwerk befinden sich heute einige Zimmer die vom Hotel Estrel eingerichtet wurden. Dort erhalten die besten der Ausbildung im Hotelbereich die Möglichkeit, als Berufseinstieg die Leitung zu übernehmen.
Unter all den Gutsbesitzern, die das Gut Britz bewirtschafteten, war Graf von Herzberg derjenige, wo das Schloss Britz seine Blütezeit erlebte.
Durch Nicolais 1779 erschienene „Beschreibung der Residenzstädte Berlin und Potsdam“, in der das von Hertzberg zur Hochblüte gebrachte Rittergut Britz ausführlich beschrieben wird, wurde Britz damals schon lebhaft von bildungsbeflissenen Touristen besucht.
1924 verkaufte Wrede das Gut an die Stadt Berlin. Es folgten weitere Umbauten und es wurde dann an herrschaftliche Bürger vermietet.
Nachdem das Kinderheim 1985 in ein neu erbautes Haus in Neukölln umziehen konnte, wurden diese Räume im linken Flügel, in denen wir uns gerade befinden, wieder so hergerichtet und konstruiert, wie sie zur Jahrhundertwende ausgesehen haben, erzählte Herr Puschnerus uns bedeutsam. Sie wurden mit hervorragenden, sorgfältig ausgesuchten Möbeln und Gemälden aus der Zeit des Historismus bestückt. Da die meisten Britzer Gutsbesitzer luxuriös eingerichtete Appartements oder Stadtvillen in Berlin besaßen und beim Verkauf des Gutes kaum Interesse am Inventar des Herrenhauses bestand, konnten sogar Einrichtungsgegenstände aus dem 18. Jahrhundert im Herrenhaus unbeschadet bis ins 20. Jahrhundert überdauern, sagte Herr Puschnerus mit Ehrfurcht. Er ging dann allmählich über uns etwas über dem Raum zu berichten, in dem wir uns gerade aufhielten. Hier finden Konzerte und auch Lesungen statt. Es stünde ein sehr alter Flügel im Raum und an den Wänden hängen alte gemalte Bilder. Wir gingen von dort dann ins Damenzimmer, wo ein alter Sekretär und ein alter Handarbeitstisch samt Nähmaschine stand. Wir durften sie ja mit unseren behandschuhten Händen sehr gründlich untersuchen. Auf dem Sekretär standen und lagen noch alte Utensilien aus der damaligen Zeit, z. b. Bücher und eine Teetasse mit zugehöriger Untertasse. Sie waren so platziert worden, als wäre derjenige, der gerade davor gesessen hatte, aufgestanden und hatte den Raum vor unserem eintreten verlassen, um etwas wichtiges zu erledigen. Die Sitzmöbel luden mich ein, mich dort einmal hinein zu setzen um mich in Ruhe in die vergangende Zeit entführen zu lassen. Die Stoffe der Sitzmöbel waren von feinster Herkunft. Für ein Moment fühlte ich mich in diese so eindrucksvolle Zeit zurück versetzt, als wäre ich diejenige welche Dame, die hier ihr Reich habe. Natürlich durfte ich das nicht mich in die Sitzmöbel setzen. Es ging dann weiter ins Herrenzimmer. Dort standen auch sehr aufwändig verzierte alte Möbel. Die Zimmerdecken waren wohl auch noch altertümlich vorhanden, sagte Herr Puschnerus und führte uns zur imposanten Verkleidung der Heißluftheizung in Form eines von modellierten Kachelkamins mit Ornamenten aus der deutschen Herrenzeit. Wenn ich mich richtig erinnere, befand sich darin ein dickes Ofenrohr das vom Keller durch’s Schloss führte. So konnte das Schloss gut beheizt werden. Im Keller stand wohl der richtige Ofen, der dann von den Hausangestellten ständig unter Feuer gehalten wurde. Das fand ich unglaublich, wie gut dies schon zu dieser Zeit durchdacht gewesen war.
Weiter ging´s dann in den Festsaal und so genanntem Gartenzimmer mit Türen, die auf die Terrasse führten.
Im Festsaal gab es einen sehr massiven Holzschrank wo die Schranktüren mit wunderschönen Schnitzereien verziert waren und eine große Tafel mit aufwändig verzierten Stühlen drum herum und auf dem Tisch stand ein riesiges Bowlegefäß auf kleinen verzierten Füßen. Es hatte eine Innenschale und außen einen schmalen Spalt zwischen Schale und Bowledeckel. Man sagte uns, dass zwischen innenerer und äusserer Schale dort Eis hineingepackt wurde, um die Getränke im Sommer kühl zu halten. Im Winter habe man große Eisblöcke aus dem gefrorenen See gehackt, sie in Stroh gewickelt und im Keller aufbewahrt, wo sie sich auf diese Weise hielten, bis man sie im Sommer zum kühlen von Getränken und Speisen benötigte, z.B. von Bowle. Das fand ich echt irre, wie sie das damals regelten, ohne Eisschrank. Das war sicher der Vorläufer zu unseren heutigen Eisschränken, denke ich. Dieser Raum vermittelte mir eine prunkvolle Atmosphäre. Ich sah förmlich eine vornehme Gesellschaft vor mir sitzen, wie sie gerade frei, fröhlich lachten und sich amüsierten. Im angrenzenden Gartenzimmer gab es auch noch eine reichlich verzierte Sitzgruppe mit Blick in den herrlichen Schlossgarten. Zum Abschluss der Führung zeigte uns Herr Puschnerus noch ein altes Phonograph. Wir durften davon einzelne Teile wie, einen Zylinder, Kurbel und Trichter berühren und es wurde darauf eine Musikkonserve von Enrico Caruso die Arie "Vesti la giubba" abgespielt. Er erklärte uns noch in kurzen Sätzen, die Geschichte vom Phonograph und wie er funktioniert.
Der Phonograph ist so gesehen der Vorläufer vom Grammophon, Plattenspieler und CD–Player sagte er und erzählte weiter. Der Amerikaner Thomas Alva Edison hat den Phonograph 1877 erfunden. Nun war es erstmals möglich Töne aufzuzeichnen und immer wieder abzuspielen. Gedacht war es eigentlich um damit Sprache aufzunehmen, wie eine Art Diktiergerät und wieder abzuspielen. Es bestand aus einem Schalltrichter mit einer Membran, die eine kleine Nadel trug. Diese berührte einen mit Schellack überzogenen Zylinder. Dreht man an der Kurbel, dreht sich der Zylinder und bewegt er sich gleichzeitig vorwärts.
Wenn jemand nun in den Trichter sprach, schwang die Nadel im Takt der Schallschwingungen hin und her und grub eine wellenförmige Spiralrille ins Schellack. Brachte man nun die Nadel wieder an den Anfang der Rille und drehte erneut die Kurbel, erklang der hineingesprochene Schall – wenn auch höchst undeutlich und verrauscht – aus dem Trichter. Auf diese Art und Weise wurde 1902 die Arie mit Enrico Caruso aufgenommen sagte er nun abschließend zu uns. "Wow" konnte ich dazu nur noch von mir geben, echt toll!
Wir bedankten uns herzlich bei Herrn Puschnerus für diese so aufschlußreiche Führung und für seine bedingungslose Geduld, die er uns entgegenbrachte.
Er gab uns noch den Hinweis, dass wenn man sich vorher zur Führung anmeldet, würde man auch vom Bus abgeholt werden können.
Ich ging zwar völlig erschöpft nach Hause, doch ich nahm ebenso auch viele neue Eindrücke mit.
Ich finde, das sich diese Führung für mich auf jeden Fall gelohnt hat und auch weiter zu empfehlen ist.

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