Meine Eltern und ich zogen vor Jahren in eine Kleinstadt nach Brandenburg
um. Die Wohnung in Berlin wurde uns zu klein, denn meine Mom erwartete ein
Baby.
Mit Wehmut denke ich an diese Jahre zurück. In der ersten Zeit lernte ich viele Kinder mit ihren Familien kennen, bis eine weitere Familie in diese Gegend zog. Ab da veränderte sich mein
Leben schlagartig.
Es begann völlig unerwartet. Nach der Schule verabredete ich mich mit meiner
damaligen Freundin Petra zum Spielen. Als ich sie von daheim abholen will,
tritt mir Ben der neue Nachbarjunge plötzlich in den Weg und spricht zu mir
unverständliche Worte, verschwinde du schwarze Gestalt und außerdem bist Du
gar nicht Deine Mutters Kind. Ich verstehe seine Äußerungen nicht und
entgegne ihm darauf hin, ich kann hingehen wohin ich will! Du kannst es mir
nicht verbieten! Und ob ich dass kann, lacht er schrill. Mein Vater ist hier
der Bürgermeister hast Du dass schon vergessen? Nein, dass habe ich nicht,
verteidige ich mich energisch, aber Du kannst dies mir trotzdem nicht
verbieten hier lang zu gehen. Denn die Gehsteige gehören uns allen in der
Stadt. Er schubst mich unsanft vom Bordstein. Geh mir aus dem Weg sagt er
sehr entschlossen zu mir.
Ich habe große mühe nicht aus dem Gleichgewicht zu
geraten und sehe dem blond gelockten weißhäutigen Jungen, der sich merkwürdiger Weise umgedreht hatte und gegangen war, noch lange nach und
laufe auf den schnellsten Weg nach Hause.
Maaaama rufe ich schon von weitem nach ihr. Sie steht am
Herd und kocht den Brei für den kleinen Bruder. Meine Mutter legt den Finger
auf den Mund und deutet mir damit an, dass ich mich leise verhalten soll,
denn mein Bruder schläft noch.
Da sieht sie in das Gesicht von mir und es bahnen sich bereits schon dicke
Tränen ihren Weg an meinen Wangen hinunter. Sie schämt sich ein wenig, da sie mir so
begegnet ist.
Was ist los meine Kleine, fragt sie nun und legt den Kochlöffel aus der
Hand.
Mama stell Dir vor, der Ben vom Bürgermeister hat mich eben gezwungen nicht
auf den Gehsteig zur Petra zu gehen.
Er beschimpfte mich
mit den Worten "Geh weg Du schwarze Gestalt" und meinte noch, ich sei nicht
Dein Kind.
Da entgegnete ich ihm mit den Worten, ich kann gehen wohin ich will!
Na sicher mein Schatz kannst Du hingehen wohin Du magst! Aber warum sagt er
so etwas zu mir, frage ich meine Mutter völlig aufgebracht?
Ich weiß es
wirklich nicht mein Kind, was in ihn gefahren ist. Ich werde gleich nach dem
Abendessen bei ihm anrufen und mit seinem Vater darüber sprechen. "Weine nun
nicht mehr meine Süße, spricht sie liebevoll zu mir. Es wird sich als bald
aufklären und er muss sich bei Dir entschuldigen. Mama frage ich zögernd,
denn ich hatte schon lange diese Frage auf der Zunge zu liegen. Warum habt
ihr alle eine weiße Hautfarbe Papa Du und Ralf? Stimmt dass denn wirklich,
das ich nicht Dein Kind bin, wie Ben das behauptet?
Nun ja, meine Liebe, dass ist eine schwierige Frage, die ich Dir so schnell
nicht beantworten kann.
Ich möchte es jetzt aber wissen, schluchze ich Herz zerreißend.
Also gut mein Liebes, tröstet mich meine Mutter. Sie bittet mich neben sich
auf die Küchenbank zu setzen.
Als ich mit dir schwanger war wußte ich auch nicht, dass ich ein farbiges
Kind zur Welt bringen werde. Dein Vater und ich, wir haben uns auf unser
erstes Kind so sehr gefreut, dass es für uns im ersten Moment ein Schock
bedeutete. Als du dass Licht der Welt erblicktest. Wir dachten wir haben
etwas an den Augen und so wischten wir mit den Händen über sie. Jedoch blieb
alles unverändert.
Der Arzt und die Schwester tauschten sich fragende Blicke aus und Dein Vater
sah mich mit hoch rotem Gesicht an, in seinen funkenden Augen stand die
Frage, wer?
Ich verstand die Welt nicht mehr und fing an zu weinen. Ich hatte keinen
anderen Mann in dieser Zeit und daher wusste ich doch selbst nicht, wie so
etwas zustande kommen kann.
Ich lehnte mich an die Schulter meiner Mutter und spürte, wie ein leichter Schauer sie durchfuhr.
Was geschah dann, bat ich sie weiter zu erzählen.
Dein Vater lief mit hochrotem Kopf aus dem Kreißsaal.
Aber warum denn, frage ich entrüstet, gefiel ich ihm denn nicht?
Nun ja,
später schon, aber eben nicht zu dieser Zeit, weil er glaubte er wäre nicht
dein Vater. Ich weiß mein Kind, das ist im Moment schwer zu verstehen für
Dich! Ich hätte gerne damit noch gewartet, wäre das heute nicht passiert.
Weißt Du, sprach sie berührt weiter, ich habe dich von Anfang an geliebt,
auch wenn ich zu erst einmal entsetzt gewesen bin, so fühlte ich tief in
meinem Herzen dass du zu mir gehörst. Mama, frage ich erhitzt, hat Papa dich dann verlassen? Nun ja, er zog eine
Zeit lang zu deinen Großeltern.
Dass tut mir aber leid, tröste ich sie.
Ja, ich saß nun mit dir in der kleinen Wohnung und weinte mir die Augen aus
recherchierte im Internet und fand ein Forum, von weiteren betroffenen Frauen.
Ich nahm unvermittelt Kontakt zu ihnen auf und erfuhr dabei, wie so etwas
zustande kommen kann.
Ach so, meine ich! Dann ist Claudia also von dieser Zeit noch übrig
geblieben? Ja, sie war die Forumsgründerin und hat mich in dieser so
schweren Zeit unterstützt.
Mama sag schon, dränge ich sie zum weiter erzählen. Warum habe ich eine andere Hautfarbe.
In unserer Verwandtschaft gab es einen Mann, der farbig gewesen ist. Der
leider nicht richtig zur Familie gehörte, weil ihn deine Oma nicht heiraten durfte.
Sie heiratete deinen Opa und wusste da aber noch nicht, dass sie vom anderen
Mann schwanger war.
Also du bist doch ihr Kind frage ich empört? Ja, ich kam weiß zur Welt und blieb es auch.
Darum ist die Liebschaft nicht aufgeflogen.
Bei dir war es anders. Du warst nicht gleich so dunkelhäutig, aber man sah,
dass du eine ganz andere Hauttönung hast. Mit drei Monaten warst du dann so dunkel wie du jetzt bist.
Bei mir hat sich nie etwas verändert und so geriet diese Geschichte in
Vergessenheit.
Oma wollte dies erst auch nicht bestätigen und zog sich eine Zeit lang von mir zurück.
Deinem Vater erzählte ich auch davon und stellte ihm Claudia vor, die ihm die Sachlage mit deiner Hautfarbe erklärte.
Es hat lange gedauert, bis Oma und auch dein Vater mit mir wieder in Kontakt
traten und sich mit diesem Thema befassten. Claudia habe ich da viel zu
verdanken.
Weiß Opa jetzt darüber Bescheid, fragte ich mit zittriger Stimme.
Ja, Oma hat Opa alles erzählt und hat mit ihm den Mann ausfindig gemacht.
Leider lebte er nicht mehr, er war schon lange gestorben, aber seine Mutter
lebte noch und freute sich, doch noch eine Enkelin bekommen zu haben. War
denn dein Vater nicht verheiratet? Nein, er hat es nie überwunden, dass Oma
ihn wegen seiner Hautfarbe nicht heiraten durfte. Hat er keine Geschwister
gehabt? Nein auch dies nicht. Sein Vater war schon früh verstorben und seine Mutter hat nie wieder geheiratet.
Warum habe ich sie noch nicht kennen gelernt? Sie verstarb als Du ein Jahr
alt warst.
Hast du Bilder von ihr und deinem Vater? Ja!
Kann ich sie sehen? Ja, sicherlich nur nicht jetzt. Dein Bruder ist
aufgewacht und ich muss mich nun um ihn kümmern.
Mama, frage ich noch, du wirst doch den Vater von Ben anrufen, nicht war?
Ja, versprochen.
Über die Fotos lernte ich den anderen Teil von meiner Familie besser kennen
und sprach viel mit meinen Eltern darüber.
Leider konnten meine Eltern die Voreingenommenheit der Bürger nicht ganz aus der Welt schaffen. Daher zogen wir nach einigen Jahren nach Berlin zurück.
Dort besuchte ich eine Schule,, wo es nichts ungewöhnliches mehr war, dass ich eine andere Hautfarbe besaß. Sehr bald fand ich viele neue Freunde und fing endlich wieder an zu leben. Nach dem Abitur gründeten Claudia und ich einen
Selbsthilfeverein, der sich intensiv für solche Belange einsetzt und den
Betroffenen unterstützend zur Seite steht.