Routinierte feingliedrige Finger bewegen sich im Dunkeln über die
PC-Tastatur hinweg. Melinda surft seit Wochen akribisch durchs Internet um
einen Hinweis
zu finden, wie sich der Traum, Sängerin zu werden, umsetzen ließe.
Dabei
stieß sie auf die Seite der blinden Sängerin Anne Bow, die mittels eines
Castings,
sich den Traum Sängerin zu werden, erfüllt hat. "Schade", dachte Melinda
enttäuscht, "es wird leider solch ein Casting in dieser Art und Weise nicht
mehr
durchgeführt".
Vor einem Monat hatte sie eine E-Mail an Anne Bow geschrieben und bis heute
noch keine Nachricht von ihr erhalten, obwohl sie zwei Demostücke mitgesandt
hatte.
Das machte sie so unendlich traurig.
Da klopft es an die Zimmertür und ihre Mutter tritt auch schon ein. "Liebes
möchtest du nicht mit nach unten ins Wohnzimmer kommen?" "Nein, ich bin gern
allein hier", entgegnet Melinda mürrisch.
"Nun gut, falls du es dir doch noch anders überlegst, freuen wir uns sehr",sagt die Mutter.
Melinda gefiel das ganz und gar nicht, dass ihre Eltern
sich
ständig so sehr um sie sorgten. Es gab dafür überhaupt keinen Grund! Seitdem
sie 14 Jahre war, genoss sie es, im Zimmer allein zu sein. Weil ihre
Schwester
Zyndia nur noch selten daheim anzutreffen war, da sie seit drei Jahren in
Bonn studierte.
Zyndia war eher ein spaßig aufgelegtes Mädchen, sie lachte viel und ging
gerne auf Partys. Wie sie es schaffte, trotzdem gut in der Schule zu sein
und
jetzt auch sehr schnell mit dem Studium voranzukommen, das war ihr
unverständlich. Ihr dagegen fiel alles so schwer und sie lachte eher selten.
Melinda dachte unheimlich viel über dies und das nach. "Doch das Singen ist
meine Leidenschaft", sprach Melinda versonnen zu sich selbst und ein
zaghaftes
Lächeln huschte über ihr sonst so ernsthaftes Gesicht.
Zyndia lebte nach dem Motto: "Ich lebe heute und nicht morgen". "Sie ist
anziehender, meine Schwester", dachte Melinda verdrossen. Es dauerte nie
lange,
bis sie jede und jeden auf ihrer Seite hatte. Vor drei Tagen erzählte sie
ihr, dass sie neben ihrem Studium modelte.
Melinda bekam große Ohren. "Wie bist du denn da ran gekommen?"
Zyndia kicherte und sagte wie nebenbei, "die haben mich auf der Straße
angesprochen". Sie suchten Mädels für schicke Sommermode. "Ob ich nicht Lust
dazu
hätte zu modeln", fragten sie mich. "Ich sah sie an als würden sie vom
anderen Stern kommen", sagte Zyndia.
"Warum?"
"Na, weil ich es einfach nicht glauben konnte, dass ich dafür geeignet
bin". Sie lachten auch und meinten, ich sei genau der Typ Mädchen nach dem
sie
gesucht haben. Groß, schlank und nicht blond.
"Wie oft bist du jetzt schon dort gewesen"?
"Mmh, vier mal bis jetzt. In der nächsten Woche fliege ich nach London, weil
mich ein Fotograf von Arto-Mode gesehen hat, wie ich die neuen Tops von 'C
und A' vorgeführt habe". Das hat ihm so gut gefallen".
"Darfst du dann auch die Kleidungsstücke behalten?" "Je nach dem, manche ja,
aber die meisten nicht. Sie werden nur für diese eine Einstellung zur
Verfügung
gestellt".
"Sind dann auch noch andere Mädels dabei?"
"Na klar", grinst Zyndia.
"Sind sie alle so hübsch wie Du?"
"Manche sind sogar noch hübscher als ich", finde ich ehrlich gesagt!
"Was sagen eigentlich Paps und Mom dazu?"
"Sie finden das verschärft. Mama hat sich sogar den neuen Bub-Katalog
zuschicken lassen".
Bist du darin zu sehen?"
"Oh ja, das sind echt super tolle Einstellungen geworden".
"Platzen deine Freundinnen nicht vor Neid?", wollte Melinda wissen.
"Na ja, vielleicht einige, aber sie geben das nicht offen zu."
Darf ich dich zu einem Modeltermin begleiten?
"Ich weiß nicht ob das gestattet ist. Das muss ich erst einmal abklären,
bevor ich dir etwas verspreche, was ich dann doch nicht einhalten kann".
"Findest du mich hübsch?"
Zyndia dreht sich zu ihr um. "Nun ja, wenn es da nicht deine blinden Augen
gäbe, schon."
"Sind sie so hässlich?"
"Hm nein, aber sie schauen nach oben und sehen aus, als würden sie nicht
wissen, wohin sie zu erst hinsehen sollen. Daher sieht man mehr weiß in
deinen
Augen als normalerweise üblich ist. dein Gesicht ist um einiges hübscher als
meines. Es ist so ebenmäßig und du hast lange Wimpern. dein Mund hat so
volle
Lippen, was im Moment sehr in ist. Wenn du lächelst, dann kommen gerade
perlmuttglänzende Zähne zum Vorschein. Die Haarfarbe ist schön, es leuchtet
rot.
Wenn die Sonne darauf fällt, sieht es aus, als ob darin Goldfäden versteckt
sind. Auch die Locken in deinem Haar sind sehr schön." "Und wie findest du
meine Figur?"
"Sie ist reizvoll!" "Meinst du nicht, dass ich zu dick bin?" Nein, du hast
tolle Kurven. Die Körpergröße ist auch okay. "Nur solltest du dich anders
kleiden."
"Wieso?" "deine T-Shirts mit den Bärchen sehen so kindlich aus." "Gehst du
mit mir gemeinsam einkaufen?"
"Oh das geht im Moment gar nicht, denn ich habe sehr viel zu tun. Das
Studium nimmt leider auch noch reichlich Zeit in Anspruch."
"Schade", entgegnet Melinda enttäuscht.
Zyndia geht zu ihrem Kleiderschrank und zieht ein paar neue T-Shirts von
sich raus. "Hier die schenke ich Dir."
Melinda begreift es kaum, dass ihre Schwester so großzügig zu ihr ist..
"Welche Farben haben sie denn?" "Die Struktur der Stoffe fühlen sich schon
mal angenehm an", stellt Melinda freudig fest.
"Sie sind hell- und dunkelgrün und haben einen Ausschnitt. Zieh dazu deinen
hübschen Sommerrock an, den du von Mom bekommen hast. Das sieht bestimmt
toll
aus. Da sind beide Farbtöne im Muster drin.
Nun muss ich mich beeilen, das nächste mal mehr". Da eilt sie auch schon mit
beschwingten Schritten aus dem Zimmer ...
Melinda befühlt indessen ihr Gesicht und stellt fest, dass ihre Schwester
mit der Beschreibung ihres Gesichtes nicht übertrieben hat.
Sie hat sich noch nie selbst gesehen. Von Geburt an ist sie blind. Ein
angeborener Grüner und Grauer Star, haben ihr das Augenlicht genommen. Sie
wurde
zwar, als sie ein halbes Jahr alt war, gleich daran operiert, jedoch ohne
jeglichen Erfolg.
Sie hatte ihre Eltern gefragt, wie es für sie war, als sie erfuhren, dass
ihr Kind blind ist. Lange Zeit war es still um sie gewesen, die Eltern
hatten
lange gebraucht um dafür die richtigen Worte zu finden.
"Weißt du Liebes...", fing die Mutter vorsichtig an, "ich wollte es im
ersten Moment nicht wahr haben. Ich sah den Arzt mit weit aufgerissenen
Augen an
und sagte im nächsten Moment, "da müssen sie sich irren. Mein Kind ist nicht
blind, denn die Augen meiner Tochter sehen mich geradewegs an und sind so
klar blau als würde man bis tief in sie hineinschauen können. Das hielt mich
davon ab, dem Arzt zu glauben. Sie blieben aber nicht lange so klar. Ich
erinnere
mich nicht mehr so genau, wie lange es dauerte, bis sie undurchsichtig und
stumpf aussahen. Ich weiß nur noch, als ich dies entdeckte, bin ich beinahe
in Ohnmacht gefallen. Am nächsten Tag bin ich mit dir zum Arzt gefahren.. Der
sagte mir sogleich, als er deine Augen inspizierte, was mit ihnen ist. Er
überwies uns sofort ins Krankenhaus und man hat dich dann noch am selbigen
Tag operiert. Ja, auch diese Ärzte dort haben mir versichert, dass du blind
bist.
Ich habe viele Nächte hindurch geweint und habe Gott um Hilfe angefleht.. Er
solle bitte doch deine Augen gesund werden lassen". Papa nahm mich zärtlich
in seine Arme und hat mich getröstet, "es wird schon alles wieder gut. Er
habe gehört, dass "Blinde auch glückliche Menschen werden können. Wir haben
uns
an den Blindenverband gewandt um noch andere Paare kennen zu lernen, denen
es ähnlich ging. Als wir feststellten, dass es so einige betroffene Familien
gab, denen es auch so erging, haben wir neuen Mut geschöpft und fingen an,
uns über die Erkrankungen deiner Augen besser zu informieren".
Melinda zieht wie elektrisiert eins der neuen T-Shirts an. Sie fühlt den
Ausschnitt am Hals, er ist mit Spitze eingefasst und an den Seiten ist es
tailliert.
Sie geht zum Kleiderschrank und nimmt ihren Sommerrock vom Bügel, den sie
gestern von ihrer Mutter geschenkt bekommen hat. Mit den Fingerspitzen fährt
sie vorsichtig an den Nähten entlang. Er hat ja auch einen Schlitz,
schmunzelt Melinda verträumt. Sie zieht ihn an und dreht sich versonnen vor
dem Spiegel
hin und der. "Sehe ich nicht toll aus?", spricht sie euphorisch zum Spiegel.
"Ja, es sieht wirklich hübsch aus, vernimmt sie plötzlich eine wohlklingende
Stimme hinter sich." Melinda fährt zusammen, weil sie es nicht bemerkt hat,
dass jemand das Zimmer betreten hat. "Ich wusste doch, dass dich das T-Shirt
gut kleiden wird!", ruft Zyndia entzückt.
"Hoppla wolltest du nicht ausgehen?", fragt Melinda entgeistert in den Raum
hinein.
"Schon, aber ich habe meine Handtasche auf dem Bett stehen lassen und so
musste ich noch einmal zurückkommen."
"Warte mal", sagt die Schwester.
Da spürt sie auch schon einen Kamm in ihren Haaren. "So, diese Frisur steht
dir echt gut." Melinda befühlt mit den Händen ihre Haare. "Komm jetzt
schminke
ich dich noch nett!" "Make-up... welches nehmen wir da nur? Ja, dieses hier,
das unterstützt noch mehr deine feinen Gesichtszüge." "Lippenstift...,
könnte
deine Lippen noch besser zu Geltung kommen lassen. Rotbraun steht dir
bestimmt gut!" "Mmm ja, das sieht toll aus!"
Zyndia dreht sich von ihr weg und beginnt intensiv in ihren
Nachttischschubladen zu wühlen. "Die Ohrringe passen gut zu deinem neuen
Outfit. Sie sind silbern
und haben an den zierlichen Ketten tropfenförmige Hängerchen befestigt. Die
habe ich mir letzte Woche auf dem Sommerfest gekauft. Willst du sie mal an
deinen Ohren tragen?"
"Ja!", flüstert Melinda außer sich vor Freude! "Oha, das sieht total irre
aus!", freut sich Zyndia. "Wo habe ich denn nur die weißen Pumps gelassen?"
"Ach hier sind sie ja", kommt ein Freudenschrei näher an ihr Ohr. "Zieh die
mal an."
"Oh je", denkt Melinda entsetzt, "ich habe doch noch nie auf solchen Dingern
gestanden!"
"Los, trau dich nur", bestärkt sie die Schwester. "Du, siehst super aus",
ruft die Schwester begeistert aus und klatscht dabei in die Hände. Melinda
wird's
warm ums Herz und sie spürt, dass sie rot im Gesicht wird.
"Haaaallo Melinda, du musst dich nicht schämen, jetzt müssen wir uns nur
noch etwas mit deinen Augen einfallen lassen. Ja, du wirst meine
Sandrasonnbrille
aufsetzen. Wo habe ich sie nur zuletzt gesehen", lacht sie entzückt. "Hier
ist sie ja" und schon hat Melinda sie auf der Nase zu sitzen.
Ein Pfiff ertönt von der Tür her. Melinda zuckt zusammen, "wer ist das denn
schon wieder", durchfährt es sie.
"Peter, da bist du ja", schmeichelt Zyndia. "Hey, deine Schwester sieht echt
klasse aus." "Melinda das ist Peter, Peter das ist Melinda." "Hast du Lust
mit uns zum Konzert von Betty Maler zu kommen?", fragt Zyndia sie.
"Ich weiß nicht, ob ich das denn ...?" "Komm wir fragen die Eltern, ob sie
dir das gestatten." "du bist doch 16 Jahre alt und in deinem Alter bin ich
schon
auf unzähligen Konzerten und Partys gewesen."
"Aber, .... !" "Was? Glaubst du denn, du bist die einzige Sehgeschädigte,
die auf Konzerte geht? Ich habe schon des Öfteren Sehgeschädigte auf den
Konzerten
erlebt. Die waren total in Partystimmung an den Armen ihrer Begleiter.
Gib dir bitte einen Ruck Melinda. "Jetzt wo du doch so herausgeputzt bist,
wäre das doch jammerschade, sich nicht gleich so vor die Tür zu wagen.."
"Stimmt", pflichtet ihr Peter bei. "Also gut, ich komme mit", lacht nun auch
Melinda.
"Die Eltern haben nichts dagegen, dass sie mit zum Konzert geht.
Die Mutter freut sich sehr, dass sie sich endlich, wenn auch gemeinsam mit
ihrer Schwester vor die Tür wagt."
"Wow!" machen die Eltern, als sie sie erblicken. "Mannomann, du siehst ja
fantastisch aus." "Kleider machen Leute", entgegnet Zyndia stolz.
"Bald werden die alten Klamotten aus dem Kleiderschrank entfernt und kommen
in die Rot-Kreuz-Säcke", sagt Melinda völlig außer sich vor Freude.....
"Ja", stimmt die Mutter zu. "Wir gehen in den nächsten Tagen los und machen
die Boutiquen im Einkaufszentrum unsicher."
Am nächsten Tag befindet sich im Posteingang ihres PC´s eine Nachricht von
Anne Bow. Sie hatte ihre Anfrage mit Interesse gelesen und darüber mit ihrem
Produzenten gesprochen. Sie sind übereingekommen sie nach Köln zum Vorsingen
einzuladen. Die weiteren Details werden ihr in den nächsten Tagen
schriftlich
zugesandt. Sie freut sich sehr, sie persönlich kennen zu lernen.
Melinda kann das kaum glauben, das sie doch noch von Anne Bow eine Nachricht
erhalten hat! Übermütig rennt sie die Treppe nach unten. "Maaaama..., weißt
du wer mir geschrieben hat?"
"Nein", ertönt eine sehr gut gelaunte Stimme aus der Küche.
"Anne Bow!" Sie lädt mich nach Köln ein!"
"Du, das ist ja wunderbar", ruft die Mutter erfreut! "Nun wird es wirklich
höchste Zeit, dass ich mir eine neue Garderobe zulege" lacht Melinda voller
Freude und Mutter und Tochter nehmen sich in die Arme.
Der besagte Brief lässt nicht lange auf sich warten. Melinda und Mutter
fliegen nach Köln wo sie von Anne Bows Chauffeur schon am Flughafen erwartet
werden.
Sie ist so aufgewühlt, das sie vor Erregung kaum still sitzen kann. Da hält
die Limousine schon und der Chauffeur öffnet die Tür an ihrer Seite. "Frau
Anton wir sind da. Darf ich ihnen meinen Arm anbieten?" "Ja gern", flüstert
sie.
Eine Frau steht am Treppenabsatz und begrüßt sie. "Frau Bow erwartet sie
bereits im Salon."
Die Hausangestellte meldet sie und ihre Mutter bei Frau Bow an. "Christin
bringen sie mir das Mädel zum Sofa." Die Angestellte nimmt sie sanft beim
Arm
und führt sie gekonnt zur Hausherrin. "Setz dich doch Melinda." "Christin,
kümmere dich um das Gepäck." Zwei starke, energische Hände nehmen sie
vorsichtig
an ihre Handgelenke und ziehen sie zu sich aufs Sofa.
"Also du bist das junge Ding, was sich in den Kopf gesetzt hat, eine
Sängerkarriere einzuschlagen?" "Ja", erwidert Melinda heiser! "Mein
Produzent und
ich werden uns morgen im Studio von deinem Talent überzeugen."
Am nächsten Morgen werden sie früh von der Hausangestellten geweckt. "Frau
Bow ist eine Frühaufsteherin. Sie liebt es sehr im Frühling und Sommer
morgens
auf ihrer Terrasse zu sitzen und den Vögeln beim morgendlichen Singen
zuzuhören. Das inspiriert sie zu neuen Songs."
"Guten Morgen meine Liebe", ertönt eine sehr gut gelaunte Stimme von der
Terrasse her. "Setz dich zu mir", bittet sie Melinda. "Was magst du gerne
frühstücken?"
Melinda ist noch so voller Anspannung das sie kein so richtigen Satz
zustande bringt. "Müsli?" "Christin bringen sie bitte der jungen Dame ihr
gewünschtes
Müsli."
"Sehr wohl Frau Bow." "Wie mögen sie ihr Müsli Frau Anton?" "Mit Joghurt und
Honig bitte." Da geht Christin auch schon los.
"Ich habe dich ja noch in meinem Schreiben gebeten, ein Demoband
mitzubringen. Hast du es dabei?"
"Ja!"
"Paul können Sie dies gleich mal in das Abspielgerät legen?"
"Selbstverständlich Frau Bow."
Da ertönt auch schon Melindas Stimme aus den Lautsprechern. "Geht's noch ein
wenig lauter, Paul?" "Ja, Madam."
Sehr lange sagt niemand etwas. In Melinda steigt die Anspannung bis zum
Kopf. "Kindchen", spricht nun Frau Bow zu ihr, das ist ja herrlich! So eine
melodische
und kraftvolle Stimme habe ich schon lange nicht mehr gehört."
"Gesangsunterricht hast du mir geschrieben hattest du nicht?"
"Nein", mischt sich nun die Mutter ins Gespräch ein. "Melinda hat es nicht
gewollt, da sie sich nicht gerne in die Hände von fremden Menschen begeben
hat."
"Melinda du bist von Geburt an blind?"
"Ja!"
"Normalerweise kenne ich solch ein Verhalten eigentlich nur von Menschen die
ihr Augenlicht spät verloren haben. Nun hast du so eine Scheu hoffentlich
nicht mehr", fragt Frau Bow eindringlich.
"Nun ja", antwortet Melinda zögernd, "doch noch ein wenig. Ich habe keine
Freunde im eigentlichen Sinn."
"Was heißt das denn jetzt im Einzelnen?" "Per Chat unterhalte ich mich mit
einigen Leuten und bin da auch aktiv. Freundinnen von der Schule, nein."
"Das muss sich aber alsbald ändern, spricht Frau Bow energisch zu ihr. Als
Sängerin steht man im Rampenlicht. Die Fans wollen ständig etwas von
einem..."
"Ja, dessen bin ich mir bewusst", gibt Melinda kleinlaut zu.
"Deine Stimme ist phänomenal!"
"Frau Bow, Herr Karl ist da." "Sehr schön, bitten Sie ihn bitte ins
Arbeitszimmer."
Zu Paul gewandt sagt sie, "geben Sie mir bitte das Demoband". "Melinda Du
hast sicher nichts dagegen, wenn ich Herrn Karl dein Band vorspiele?"
"Nein!" "Gut, dann werde ich mich für zwei Stunden empfehlen", teilt ihnen
Frau Bow mit.
"Genieß du noch die Morgensonne." Christin und Paul werden sich weiterhin um
dein Wohl kümmern. Da ist sie schon schnellen Schrittes hinter der
Holzvertäfelten
Tür verschwunden.
"Mama was hast du für einen Eindruck von ihr?" Die Mutter rutscht dichter an
die Tochter heran. "Sie ist eine hübsche ansehnliche Frau. Sie achtet sehr
auf ihr Äußeres. Sie wird in etwa mein Alter haben. Lächelt viel und das
zeichnet sich natürlich in ihrem Gesicht wieder. Sie ist hier daheim leger
gekleidet.
In Jeans und T-Shirt. Die Haare sind blond und sie trägt sie offen. Sie hat
eine sehr sportliche Figur und sie trägt auch eine Sonnenbrille ..."
"Wünschen sie noch etwas Frau Anton?"
"Nein danke Christin."
"Mom, ist ihr Haus und der Garten schön?" "Das Haus ist eine pompöse Villa
mit einem sehr ausladenden park-artigen Garten drumherum.
"Ohha!", staunt Melinda da nicht schlecht.
"Frau Anton, Frau Bow verlangt nach Ihnen.... Wenn Sie mir bitte folgen
wollten..."
"Setz dich Kindchen. Herr Karl und ich sind übereingekommen, mit dir ins
Studio zu fahren um dich dort aufzunehmen." "Christin sorgen Sie dafür, dass
der
Chauffeur bereit steht." "Sehr wohl Madam." Im Wagen erläutert Frau Bow ihr
detailliert , wie sie es sich vorstellt. Das Studio ist nicht weit von ihrer
Villa entfernt. Claudia, ihre Mitarbeiterin erscheint am Wagen und führt
Melinda ins Gebäude. "Fährst du gerne Fahrstuhl?". fragt sie.
"Nun ja, wenn ich Treppen steigen kann, bevorzuge ich lieber diese." "Schön,
dann los mit uns beiden Hübschen", lacht die Frau sehr schrill. "Wir müssen
in das vierte OG."
Melinda tut das Treppen steigen gut, denn sie glaubt vor Anspannung bald zu
platzen. "So, da wären wir!"
Eine weitere Frau tritt auf Melinda zu, "Hallo ich bin die Uschi, der gute
Geist hier im Studio. Tritt ein Schätzchen!" Im Studio selbst sind noch
weitere
Leute, die sich angeregt miteinander unterhalten. Sie sieht ihr an, dass
Melinda sehr aufgeregt ist ... "Komm wir gehen schon mal ins Aufnahmestudio,
dort
ist's angenehmer für deine Ohren!", lacht sie schallend.
Melinda ist ihr sehr dankbar dafür.
"Du, gleich haben wir das ultrarote gemütliche Ledersofa erreicht, wo du
dich noch ein wenig vor den bevorstehenden Anstrengungen erholen kannst.
Magst
du etwas trinken?"
Melinda nickt nur mit dem Kopf und hofft, das sie beim Singen, das
aufkommende Lampenfieber abschütteln kann! "Hey Süße, das wird schon
klappen! Da bin
ich mir 100-prozentig sicher", entgegnet Uschi mitfühlend", als könne sie
ihre Gedanken erahnen! "Anne ist in diesem Bezug sehr kritisch. Noch lange
nicht jeder hat solch eine Möglichkeit bei ihr Gehör zu finden.
Sie erhält täglich Anfragen, von Anwärterinnen, die glauben dass sie dafür
das nötige Potenzial besitzen um Sängerin zu werden. Bisher hat sie noch nie
Post von jemandem erhalten, der nichts sieht!"
Ein Gong ertönt und Uschi führt sie in einen anderen Raum des Studios..
Unterwegs berichtet sie ihr, dass dort noch einige andere Personen sind.
"Sie werden dich musikalisch begleiten". "Peter der Gitarist, Paul der
Pianist
und Betty die Drummerin, stellt Uschi die Musiker vor" "Hallo Melinda", hört
sie drei freundlich klingende Stimmen als sie den Raum betritt. Im gleichen
Moment hört sie eine Tür aufgehen und Anne tritt ein. "Ich habe mir
überlegt, das wir einen Song gemeinsam singen: "Die Fahrt mit dem Boot."
Melinda ist erleichtert, dass Anne sich für diesen Song entschieden hat,
denn das ist ihr Lieblingssong. Uschi bringt sie zum Pult. Neben ihr steht
Anne.
"Chris gibt uns das Zeichen, wann wir beginnen können" erklärt sie ihr. Da
hören sie schon eine tiefe Freundlich klingende Männerstimme aus dem
Lautsprecher
zu ihnen sprechen.
Melinda singt ohne zu wissen, wann sie eigentlich einsetzen soll. Da hört
sie auch Anne neben sich singen... Sie singen; keiner sagt irgendwas. Erst
als
die Musiker aufhören zu spielen, hören Anne und sie auch auf zu singen.
Chris klatscht in die Hände. "Prima ihr beiden!" Da ertönt die Aufnahme auch
schon aus den Lautsprechern.
"Spitze", entgegnet Anne. Den zweiten Song wirst du alleine singen. Ich
nehme an, du hast dich auf den heutigen Tag gut vorbereitet?
"Ja", bestätigt Melinda freudig.
"Dann mal los: 'Der erste Kuss'!".
Sie hört wie die Musiker mit den Notenblättern hantieren. Eins, zwei, drei
zählt Betty am Schlagzeug.
Melinda beginnt. Auch diesmal wird sie nicht unterbrochen. Chris kommt aus
dem Mischpultraum und spricht leise mit Anne und Karl.
"Liebes", hört sie Anne fragen, "welchen Song hast du noch in Petto?" "Beim
letzten Abend."
Wieder hantieren die Musiker mit ihren Notenblättern herum. Betty zählt bis
4 und Melinda fängt zu singen an. In ihrem Kopf und Magen rumort es.
"Chris", ruft Anne nach dem Stück, "können wir uns alles mal anhören?"
Chris betätigt einen Schalter und schon hört man Musik aus den
Lautsprechern.
"Toll, toll", ruft Chris begeistert! Anne tritt dichter an sie heran, legt
ihren Arm um sie und spricht zu ihr: "Wir wollen Dich." Aus dir wird ein
Star!
Karl wird alles Formelle mit dir und deiner Mutter besprechen. Wann bist du
mit der Schule fertig?" "In drei Monaten." "Gut, gut, gut", spricht Anne
beflügelt
weiter, "dann können wir mit der Sängerkarriere bald beginnen"!
"Wo werde ich wohnen", bricht es aus Melinda heraus.
"Einen Ort weiter ist ein Internat für musikbegabte Kinder. Ich kenne die
Schulleiterin sehr gut und werde mit ihr alles Notwendige veranlassen. Das
Stipendium
trägt die Stadt Köln. Wir werden Kontakt zur Blindenschule in Düren
aufnehmen, damit sie uns einen Ambulanzlehrer zur Verfügung stellen, der
dann den Lehrern
und dir zu Seite steht". "Du brauchst dich erstmal um nichts zu kümmern",
spricht nun Chris zu ihr; "Das tun wir. Teile uns nur mit, wenn du mit der
Schule
fertig bist und dann werden wir loslegen".
In der Villa warten die Hausangestellten und Melindas Mutter schon sehr
ungeduldig auf das Ergebnis.
"Mama, ich habe es geschafft!", läuft Melinda ihrer Mutter strahlend
entgegen! Mutter und Tochter fallen sich glücklich in die Arme und drehen
sich im
Kreis. "Kind, wir sind sehr stolz auf Dich!"