Hintergrund: Gold OrangeBlau Grün Weiss Schwarz    Text: Gelb Blau Grün Weiss Schwarz   
Silja Korn bei You Tube  Silja Korn bei Facebook  Silja Korn bei Twitter  Silja Korn bei Instragram  RSS Feed für siljakorn.de 
Antwort auf Halt Krieg Louis 12 Engel ÜBHm Die Perle Gollau Anne Verstecken Berlin Brot 2Blatt Corona Wie ich träume Der sensorische Koffer Entwurzeltes Mädchen Licht im Dunkel Das Ahornblatt Der Frosch Die kleine Hexe Der grüne Koffer Geburtsstadt Steffis Geschichte Die Verabredung Die Sonne Little Joe Isabella Tante Holly Tanja und Mona Annabell Die Sandkastenliebe Anna outet sich Der Kampf Die Rückreise Brailleschrift Der Tumor Mom ist anders Weihnachten Hoffnung Punkte Spätkauf Das Leben wird anders Andere Hautfarbe Leben in die Hand nehmen Helmuts Geschichte Weihnachten? Drin, draußen Frühling

Erinnerungen an Mallorca als Sehbehinderte/Blinde

Ich erinnere mich noch sehr deutlich daran, wie wir alle aufgeregt waren, dass wir fünf Kinder und Eltern zum ersten Mal mit dem Flugzeug im Dezember/Januar 71/72 vom Berlin Tempelhofer Flughafen Richtung Mallorca flogen., um dort Weihnachten und Silvester zu feiern. Vom Flughafen Palma de Mallorca wurden wir dann mit einem Shuttlebus nach El Arenal gebracht. Das Hotel befand sich nicht direkt in der Strandnähe, sondern in einer Nebenstraße . Von der Hauptstraße aus war es noch ein etwas längeren Fußweg entfernt. Der Weg zum Hotel/Strand könnte aber auch kürzer gewesen sein. Ich weiß es nicht mehr so genau, denn ich war zu dieser Zeit Ende 5 Jahre – wurde dann im Januar 6 Jahre alt. ... Meine erste kindliche Erinnerung die ich von Mallorca habe ist, dass das Hotel ziemlich alt und abgewohnt war. Die Betten sind durchgelegen gewesen. Die Bäder hatten altmodische Fliesen und an den Wänden waren Flecken. Die dunklen Kunstlederbezüge von den Sofas und Sesseln in der Lobby waren teilweise abgestoßen und eingerissen. Sodass ich das Füllmaterial sehen und ertasten konnte. Mit meinen Fingern war ich ständig in Versuchung an diesen eingerissenen Bezügen mit meinem Zeigefinger hineinzubohren oder daran herumzupulen.
Weihnachtsbäume wie zu Hause gab es auf Malle nicht. Originell habe ich die Weihnachtsdekoration an den Palmen bewundert. Die Auswahl der Lieder, die um die Weihnachtzeit herum gespielt wurden, waren sehr fremdartig für mich; aber auch lustig. Geknallt zu Silvester wurde dort nicht. Manche Hotelgäste schossen bunte Leuchtraketen in den Himmel. Das gefiel mir sehr! Was mir lebendig in Erinnerung geblieben ist, dass das Personal des Hotels sehr lieb mit meinen Geschwistern und mir umgegangen ist. Wir durften in der Hotelküche mithelfen das Geschirr zu spülen oder im Essensraum die Tische abzuräumen. Ab und zu durften wir Kinder sogar das Hotelpersonal zu Hause besuchen, wo sie uns mit Süßigkeiten und Spielsachen beschenkten.
Viel Zeit haben wir Nachmittags am Poolbereich beim spielen mit den spanischen Kindern verbracht und so getan als ob wir auch Spanisch sprechen könnten (Fantasiesprache). Das war wirklich sehr spaßig und total schön. Denn wir haben uns alle richtig gut amüsiert. Ganz speziell fand ich den Geruch in der Luft, der auf Mallorca liegt. Er war sehr würzig und heute vermute ich, dass es an den dortigen Wildkräutern (Majoran, Anis, Rosmarin, Oregano, Lavendel), Bäumen und salzigem Meer), gelegen haben muss und in der Verbindung mit der intensiven Wärme der Sonne wurde dieser aromatische Duft noch verstärkt.
Da die Hotels nicht so groß gebaut waren wie heutzutage, war die Gegend ruhiger und familiärer und dadurch weniger überlaufen. Vorwiegend gab es dort ältere Touristen und Familien mit kleinen Kindern und weniger (laute Popmusik) und laute (grölende) Jugendliche vom Ballermann. Die Musik war eher Mallorquinisch geprägt und es lebten dort viel mehr nur spanisch sprechende Einheimische als heute.
Ich habe es geliebt an den fast menschenleeren Klippen zu spielen, den herrlich klaren, blauen Himmel zu betrachten und dort Pflanzen zu pflücken, die sich anders anfühlten und rochen. Dem Meer zu lauschen und ne Brise Wind mir ins Gesicht wehen zu lassen. Dadurch das wir häufiger auf Malle Urlaub machten, fiel mir auf, dass die Gastfreundschaft der Einheimischen sich nach und nach immer mehr unterkühlte. Woran das genau lag, weiß ich nicht genau aber die Touristen verhalten sich vielleicht oftmals nicht immer so empathisch. Oder weil es dort auch immer mehr Kommerz wurde. ...
Ostern 1978 waren wir dann wiedermal auf Mallorca und weil ich kurz vorher eine Augen OP hatte, änderte sich viel für mich. So durfte ich nicht in die Sonne und war sehr unsicher; als beinahe blindes Mädchen. Im Hotel konnte ich am Pool nicht mehr alleine rumrennen, schwimmen und war deshalb oft alleine im Hotelzimmer und spielte mit meinen Puppen, während sich meine Eltern auf dem Balkon sonnten und meine Geschwister sich mit anderen Kindern am Pool tummelten oder im Spielzimmer am Flipper oder Kicker ihre Zeit verbrachten.
Mir wurde langsam klar, dass ein neuer Abschnitt eines Lebens begonnen hatte, weil ich sehr abhängig von fremder Hilfe war. Ich fühlte mich oft allein und war deswegen sehr traurig, dass ich nicht mehr bei Allem dabei sein konnte und auch das Licht– und Schattenspiel der Sonne nicht mehr so richtig verfolgen konnte. Meine Geschwister waren auch noch jung und konnten auch noch nicht gut mit einer, meiner Behinderung umgehen. Das mussten wir erst gemeinsam nach und nach lernen und vieles ist auch heute noch nicht so, wie ich es mir wünsche.
Vieles ging einfach nicht mehr und das war schwer zu begreifen; aber heute weiß ich, dass oft Kleinigkeiten mich ins Familienleben integrierten. z.B. wenn mir jemand beim Fernsehen die Handlung grob beschrieb, mir das Tagesgeschehen erklärte und meine Bedürfnisse einband.
Februar 88 war ich dann noch ein Mal mit meinen Eltern und Oma auf der Insel. Viele lebendige Erfahrungen, die ich früher noch machen konnte, fielen aufgrund der fehlenden Orientierung und Mobilität weg. Selbst der würzige Geruch der Insel hat sich für mich verändert, was aber vielleicht auch auf andere Ursachen zurückzuführen ist, weil Mallorca durch die Touristen von überall her viel belebter ist als damals und dadurch mehr Autos und Schiffe, mehr Abgase da sind, weniger Natur da ist. Die Insel ist lauter geworden und selbst Gewürze haben sich auf Märkten und Restaurants mehr an andere Kulturen angepasst. Touristen liegen eng an eng am Strand. Es ist dort viel unruhiger, lauter geworden und ich fühlte mich oft davon nur erschlagen und mir wurde schwindelig; spätestens bei den vielen verschiedenen Sonnenschutzmittelgerüchen. Das überforderte meine verbliebenen Sinne sehr, deshalb ging ich ungern an mir unbekannte Strände und in Städte.
Inzwischen hat sich die Sachlage grundlegend geändert. Ich fahre wieder gerne in den Urlaub und gehe zum Beispiel etwas entspannter in Städte und an Strände und Meer.
Lass die Sonne wieder in mein Herz!

Hoch scrollen