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Nur ein Mensch

Helmut Randel - Autobiografie

Kapitel 6

Ende April - glaube ich - kam ich dann in Dortmund an und wieder war mein Geld bis auf den letzten Pfennig verbraucht. Ich fand dort Arbeit in einer Ziegelei. Die Tätigkeit dort war eine der schwersten Arbeiten, die ich in meinem Leben ausgeübt habe. Die Bezahlung war gut. Ein gutes Jahr verrichtete ich dort meine Arbeit und lernte das Herstellen von Ziegelsteinen. Bis ich plötzlich Heimweh nach Berlin und meiner Familie hatte. Ich verkaufte das mir treu gediente Fahrrad, kündigte meine Tätigkeit in der Ziegelei, holte mir eine Fahrkarte für die Heimreise und fuhr am nächsten Tag mit dem Zug nach Berlin. So endete meine Reise, die über drei Jahre und sieben Monate dauerte. Keiner meiner Angehörigen, weder meine Mutter noch mein Bruder wussten in dieser Zeit, wo ich mich aufhielt. Denn ich habe nie geschrieben, weil ich es auch nicht richtig konnte. Ich glaube, meine Mutter war nicht weit von einem Infarkt entfernt, als ich plötzlich in der Tür stand. Die Freude war groß, vor allem von Seiten meiner Mutter. Mein schlechtes Gewissen war begründet, denn eine Postkarte hätte ich doch mal schreiben können, eine Mutter hätte die Fehler mit Sicherheit nicht kritisiert. Auch da habe ich mir wieder vorgenommen, richtig lesen und schreiben zu lernen. Doch es wurde immer noch nichts daraus, ich habe es wieder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Eine schriftlich Bewerbung war erforderlich, als ich mich beim Labor-Service, einem deutschen Wachkommando bei den amerikanischen Alliierten, um eine Anstellung bemühte. Mein Bruder schrieb sie für mich mit Erfolg und ich bekam eine Einladung zu einem persönlichen Einstellungsgespräch. Dort wurde ein Eignungstest, unter anderem über Allgemeinwissen, durchgeführt. Das war mein erster Versuch, ohne Hilfe etwas intensiv und richtig zu lesen und zu schreiben. Ich hatte alle Antworten richtig, doch hatte bei mir der Test viel Zeit in Anspruch genommen, auf Grund meiner Schreib- und Leseschwierigkeiten. Aber da merkte ich, ich kann es schaffen, das Lesen und Schreiben richtig zu lernen, wenn ich es nur will. Ich habe es bereits auf den vorherigen Seiten erwähnt, will jedoch noch kurz die Gründe schildern, die dann den Anstoß gegeben haben, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Zumal ich ja keine Schwierigkeiten hatte, als ich meine Prüfung für eine Fahrerlaubnis ablegte. Ein Verkehrsunfall den ich nicht verursachte war der Auslöser, denn da habe ich den Sachbearbeiter der Versicherung des Verursachers gesagt, ich könnte nicht lesen und auch nicht schreiben. Dort habe ich den Unfallbericht, den ein Sachbearbeiter für mich geschrieben hat, ohne zu lesen unterzeichnet. Somit wurde eine Regulierung des Schadens von der Versicherung abgelehnt. Ich weiß nicht, was der Sachbearbeiter für mich geschrieben hat und was ich unterzeichnete. Der darauf folgende Tag, war dann der Beginn einer zweijährigen Arbeit. Ich besorgte mir Schul- und Lesebücher, die für Kinder der 4. u. 5. Klasse waren. Ohne Hilfe reihte ich Buchstabe an Buchstabe um Worte zu bilden, schrieb mir jedes Wort auf, das ich gebildet und gelesen habe. Ein Rechtschreibebuch gab mir beim korrigieren etwas Unterstützung, um die Fehler zu erkennen und die Worte richtig zu schreiben. So übte ich in jeder freien Minute fast zwei Jahre verbissen, bis ich fehlerfrei eine Zeitung lesen und auch verstehen konnte. Zu Hause bei uns gab es kein Buch mehr, was von mir nicht gelesen wurde. Ich bin das Kind einer Arbeiterfamilie und in dieser sozialen Schicht wird und wurde nie Wert auf einen großen Wortschatz gelegt. Da reicht es aus, wenn sich die Menschen mit den einfachsten Worten verständlich machten und ihre Unterhaltung führten. Diese Erfahrungen habe ich selbst in vielen Situationen gemacht. Bei Gesprächen mit Menschen, die zu den Kreisen der Akademiker gehören, sind ganz andere Worte zu hören, als bei den Menschen die aus der unteren sozialen Schicht kommen Auch diese Gedanken beschäftigen mich hier sehr stark. Ich habe vor einigen Jahren ein Buch von Dieter Duhm gelesen, “Angst im Kapitalismus“ war der Titel. Im Vorwort hat der Autor erwähnt, dieses Buch habe er für Schüler und Studenten geschrieben. Sechs Wochen habe ich mich bemüht, die intellektuelle Schreibweise des Autors zu verstehen. Über die Seite zwanzig kam ich nicht hinaus, weil ich den Stil und auch viele Worte und Formulierungen, die er in seinem Buch schrieb, nicht verstanden habe. Immer wieder habe ich das Buch von vorn angefangen, bis ich die Schreibweise des Autors begriffen habe. Diese Verbissenheit, die ich da an den Tag legte, habe ich nie bereut. Das war auch der Anfang, mich für Politik zu interessieren und mich mit der Politik auseinander zusetzen. Ich möchte noch erwähnen, dieses Buch gab mir ein Rechtsanwalt, es war Horst Mahler, zu dem ich 1972 in der Strafanstalt Tegel einen guten Kontakt hatte (Ich befand mich dort wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Insgesamt dreimal wurde ich beim Fahren ohne Fahrerlaubnis erwischt). Es war zu der Zeit, als Horst Mahler aus der U-Haftanstalt nach Tegel verlegt wurde. Ich war auch erst seit 3 Wochen in Tegel. Die Neuzugänge kamen fast alle erst in das Haus 2 auf den B-Flügel. Horst M. war ein Neuzugang, er wusste nichts von den dort üblichen Haftbestimmungen, wie Freistunde, Zusammenschluss etc. Nach der ersten Freistunde habe ich ihn angesprochen, ihm die Vorteile in der Strafhaft erklärt. Er war, wie ich glaube, 3 od. 4 Jahre in der U-Haftanstalt Moabit untergebracht und total isoliert. So war er mit den Freiheiten, die er nun genießen durfte nicht vertraut. Nach Ende der Freistunde, die wir auf dem Hof verbrachten, wollte er sich in seine Zelle zurück ziehen, er kannte es nicht anders. Ich erklärte ihm, dass er mit in den Gemeinschaftsraum gehen kann. Dort gab es die Möglichkeit, sich zu unterhalten, Karten, Skat oder Schach zu spielen und nicht allein in seiner Zelle zu sitzen. Worauf er mit in den Gemeinschaftsraum kam und wir dann Schach spielten. Ich habe nie ein Spiel gegen ihn gewinnen können, aber dafür viel von ihm gelernt. Nun sitze ich wieder in Untersuchungs-Haft, diesmal aber wegen eines schwereren Deliktes. Ich werde angeklagt wegen Handel mit BTM (Haschisch.) Die Themen zu wechseln ist für mich nicht so leicht, doch ich werde versuchen, es unkompliziert und verständlich zu machen. Einige Jahre meines Lebens will ich überspringen, denn da lebte ich ein ganz normales Leben, wie es ein jeder schaffende Mensch tut, der eine Familie gegründet hat. Arbeiten und zum Feierabend mit den Kollegen mal ein Bierchen trinken. Doch hatte ich oftmals Bedenken, ich könnte zum Alkoholiker werden. Ich wusste, mein Vater und auch mein Großvater, standen dem Alkohol nicht abweisend gegenüber. Von meinem Großvater wurde immer erzählt, er ist nie mit der Straßenbahn gefahren, er ging zu Fuß den Weg hin und zurück zur Arbeitsstelle und legte das Fahrgeld lieber in ein Bierchen und sein Schnäpschen an. Der Weg, den er zurücklegte, war von der Reichsdruckerei in Kreuzberg bis nach Britz. Mein Vater - so wurde ihm nachgesagt - soll ein nicht gerade begehrenswerter Mensch gewesen sein. Brutal und unberechenbar hatte er seine Familie behandelt, wenn er getrunken hatte. So ein Mensch wollte ich nie werden, davor hatte ich Angst. Doch gab es eine Zeit in meinem Leben, da fühlte ich mich in einer Kneipe wohler, als bei meiner Familie zu Hause. Durch einen Bekannten lernte ich eine andere Art Droge kennen und ich bin diesem Mann heute noch dankbar, er gab mir die Gelegenheit, mit ihm einmal einen Joint zu rauchen. Große Überredung war dazu nicht erforderlich, denn ich war neugierig auf diese Art von Droge, da ich darüber schon einiges in der Strafanstalt Tegel gehört habe, was sich auch nie negativ anhörte. Von diesem Tag an war für mich die legale Droge Alkohol gestorben. Die Aggressionen, die ich beim Genuss von Alkohol häufig hatte, waren nach dem Rauchen von Haschisch nie vorhanden. So zog ich es vor, mir lieber mit der illegalen, als mit der legalen Droge den Kopf zuzumachen, um meine Probleme für kurze Zeit zu vergessen. Ich möchte keine Werbung für diese illegale Droge machen, sondern nur die von mir gemachten, persönliche Erfahrungen darstellen. Auch ist Haschisch erst irgendwann von Politikern zu einer illegalen Droge gemacht worden. Kannten diese Herrn nicht die Volksdroge Nummer eins? Da frage ich mich, welche Droge hat bei den Menschen mehr Schaden verursacht? Alkohol oder Haschisch? Gerne wird Haschisch als eine Einstiegsdroge bezeichnet, ist das nicht nur eine Alibi-Behauptung und warum endete ich nicht an der Nadel? Ich verurteile die Menschen, die dafür eingetreten sind, den Genuss von Haschisch zu kriminalisieren, Menschen aufzuklären wäre sinnvoller gewesen. Viele Menschen sind durch den übermäßigen Genuss von Alkohol früher gestorben, haben ihre Gesundheit stark geschädigt. Warum, so frage ich mich, treten heute sogar wieder Politiker dafür ein, dass die Droge Haschisch legalisiert werden sollte? Der Entzug vom Alkohol ist nicht leicht zu vollziehen. Viele Menschen müssen sich Jahre damit rumplagen. Persönlich war ich davon nie betroffen, doch in meinen näheren Umfeld habe ich viele Menschen kennen gelernt, die sich mit dieser Krankheit quälten und es gar nicht wahr haben wollen, dass sie zu den Alkoholikern gehören. Viele von ihnen haben es öfters als einmal erfolglos versucht, sich von dieser Sucht zu befreien. Meine eigenen Erfahrungen, die ich mit Hasch hatte, wenn es mir nicht zur Verfügung stand, kann ich nur als eine Bagatelle bezeichnen, zwei Tage leichte Probleme mit dem Einschlafen waren alles. Doch ist diese Zeit schon lange vorbei, in der ich täglich meinen Joint rauchte, dass ich für so etwas überflüssiges Geld in der Tasche hatte. Aber auch ohne täglich zu kiffen, habe ich keine Probleme das Leben zu meistern. Mein damaliger Wohnsitz war in Charlottenburg. 16 Jahre wohnte ich gegenüber von Wolfgang Neuss, oft habe ich mich mit ihm unterhalten, auch mal über diese wahnsinnig gefährliche Droge Haschisch. Es entlockte ihm nur ein Lächeln. Auch er - und das war ja bekannt - war als ein Kiffer in Verruf geraten. Auch er starb nicht an dieser Droge. Kurz vor meiner Inhaftierung sah ich ihn das letzte Mal, als er auf dem Weg zum Frühstücken war, er ging zuletzt immer ins Luisen-Café. Er sah sehr leidend aus. Auf meine Frage, „wie geht´s dir, du siehst ja erschreckend aus?“, da fasste er sich unterhalb seines Bauches an den Körper und sagte: bldquo;Verdammt übel, Schmerzen die wollen nicht nachlassen.“ Das war das letzte Mal, an dem ich ihm begegnet bin. Auch er sah in der Droge und dem Rauchen nichts Gefährliches, hatte keine Probleme damit, bis auf eins, auch er musste vor die Schranken der Justiz treten. Da mir diese Droge ausreichend bekannt war, bin ich eigentlich auch ziemlich arglos damit umgegangen und mir war es nicht bewusst, wie notwendig es der Justiz und den Behörden (Polizei) ist, auch diese Leute als Kriminelle anzusehen und zu verurteilen. Nun sitze ich hier und erwarte einen Prozess wegen Drogenhandels, so wird jedenfalls die Anklage lauten. Mir wurde von den Drogenermittlern schon im voraus gesagt, wessen ich angeklagt werde. Jedoch war ich nicht der Händler, ich war nur ein Kurier. Für einen guten Bekannten habe ich einen Gefälligkeitsdienst übernommen und drei Kilo Shit abgeliefert. Den Ermittlern war alles bekannt, sie wussten ganz genau, wer der wahre Händler ist. Nur, weil ich nicht bereit war, meine Aussage im Sinne der Ermittler zu machen, wurde ich dann als der große Dealer verurteilt, zu drei Jahren Freiheitsentzug. Soll da ein Mensch noch an eine Gerechtigkeit glauben? Sogar die Richter kannten den wahren Hergang in meinem Fall und hofften wohl, ich werde zum Judas, denn meine Frau wollte drei Tage vor meiner Verhandlung eine Besuchererlaubnis für einen Tag, der nach meiner Verhandlung war. Worauf der Richter wörtlich zu meiner Frau sagte: „Warten sie doch erst einmal ab, was die Verhandlung ergibt. Sicher ist ihr Mann nach der Verhandlung wieder auf freiem Fuß.“ Auch mein Anwalt wollte mich dazu überreden, beim Termin den Namen des Bekannten zu nennen. Aber es war nicht notwendig, den Namen kannten sie, von der Polizei bis zum Staatsanwalt und der tugendhaften Richter. Nur Beweise hatten sie keine und die sollte ich durch meine Aussage liefern. Wegen Beihilfe zum Handel mit BTM - so sagten mir die Ermittler bei der ersten Vernehmung - würde ich gar nicht in U-Haft kommen und meine Strafe wäre höchstens 8 Monate auf Bewährung. Wenn es eine Gerechtigkeit gäbe, dann hätte dieser Prozess einen anderen Verlauf nehmen müssen und ich nicht zu 3 Jahren Freiheitsentzug verurteilt werden dürfen. Was ist das für eine Rechtsinstitution, die ihre Existenzberechtigung auf Verrat aufbauen muss, nur den Verrat belohnt, die Freiheit, zu schweigen, aber bestraft und somit die Staatsgewalt missbraucht und Menschen hinter Gitter steckt? Es gibt, wie ich es verstehe, nur eine legale Gewalt und das ist die Staatsgewalt Darum gibt es im StGB nur ein Gesetz, welches Gewalt bestraft und das lautet: „Widerstand gegen die Staatsgewalt“. Widerstand gegen einen Bürger, das gibt es nicht. Ist das die Freiheit in einer Demokratie? Gut, ich habe gegen bestehende Gesetze verstoßen, mich strafbar gemacht, doch ich habe nicht das getan, wofür ich angeklagt und verurteilt wurde. So drehen sich meine Gedanken hier um die Gerechtigkeit und um die Menschen, die sie hüten. Haben nicht auch die Menschen die Gesetze gehütet, die meinen väterlichen Freund ins KZ steckten? Die guten Deutschen, die einen ängstlichen und leicht verwundeten Soldaten an einem Hinweisschild aufhängten, der doch nichts weiter wollte, als leben? Der russische Offizier, der das Kommando gab, einen tapferen und siegreichen Soldaten zu erschießen, der im Alkoholrausch seine Bedürfnisse nicht unter Kontrolle hatte und nur eine Tür beschädigte? Was ist denn wirklich gut und was ist böse?


Kapitel 7

Da fällt mir immer wieder das von mir bereit erwähnte Buch von Dieter Duhm ein, in dem er über eine Studie berichtet, die Gesetzeshüter betreffen. Ich bin auch gern bereit, mich da der Ansicht dieses Autoren anzuschließen. Auch in meiner Familie befindet oder befand sich ein Gesetzeshüter. Ich kann mich da noch sehr gut an eine Unterhaltung erinnern, die ich im Beisein meiner heute verstorbenen Mutter mit diesem Menschen hatte. Leider ist dieses Gespräch nicht mit drei Worten wiederzugeben. Ich will es jedoch verkürzt darstellen. Eine Gaststätte ist für ihn ein Schweinestall, auch die Gäste in dem Restaurant sind keine Menschen, sondern wurden von ihm als Schweine bezeichnet. Auch sein Kommentar ist der Polizei wohl nicht würdig, sicher aber sehr gebräuchlich. Doch wortgetreu hörte sich das Gespräch so an: Mutter: „Na, mein Sohn, wie war denn dein Dienst?“ „Ach ging so.“ Er war zu der Zeit beim Einsatzkommando der Schutzpolizei tätig. Feierabend oder Schichtwechsel ist um 8,oo Uhr. Der Einsatz, laut seiner eigenen Angaben, 4,3o Uhr. Sein weiterer Kommentar: „Hatten kurz vor Feierabend noch einen Einsatz. Waren wir sauer, rauf auf die Minna und hin zu diesem Saustall. Gleich den Knüppel in die Hand und rein in die Bude und auf alles, was sich da bewegte, kräftig raufgedroschen, hat keinen Unschuldigen getroffen.“ Meinen satirischen Einwand hat er sicher nicht begriffen, so hatte er sich in seinem Bericht reingesteigert. „In Berlin ein Schweinestall und dort Schweine prügeln, was hat denn die Polizei in einem Schweinestall zu tun?“ „Bist du so doof?“, war seine Gegenfrage, an mich gerichtet. Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er mit seinem Bericht fort und erzählte mit vor Stolz geschwellter Brust: „Dann haben wa noch en einjelocht. Als wa den uf de Minna jeworfen ham, da sah et doch so aus, als wollte er den enen Kollejen treten. Den ham wa dann so rischtisch rum jereischt. Der sah villeischt aus und als er am Boden lach, hatta von mir noch enen schönen Jruß von Conti jekrischt.“ (Absätze an Schuhen sind aus Gummi von Continental). Aufgrund dieser Tatsachen kann ich auch diesem Bericht oder Absatz Glauben schenken, der wie folgt wortgetreu lautet: „Nach einem Bericht der “Washington Post“ hat ein Team von Psychologen und Psychiatern festgestellt, dass jeder fünfte Polizei-Anwärter im medizinischen Sinne geisteskrank ist.“ Das Team machte seine Studien in Chicago, wo sich bald darauf die Untersuchungsergebnisse auch in der Praxis bestätigten, als nämlich die Polizei mit besonderer Grausamkeit gegen die Demonstrationen während des Parteikongresses der Demokraten vorging. Die Studie des Teams besagt, „dass eine steigende Zahl von Polizisten an akuter Paranoia leidet. „Da ist etwas in der Macht der Polizei, das eine spezielle Art von Menschen anzieht“, erklärte Dr. Arnold Abrams, Mitglied dieses Teams. „Es gibt ihnen eine Möglichkeit, Sadismus zu verstärken und all das, was im Menschen krank ist“. Dr. Clifton Rhead, Leiter der Studiengruppe, erklärte, „dass Polizei-Kandidaten aggressiv sind, bereit, impulsiv zu handeln, hochgradig misstrauisch und jeglicher Autorität gegenüber bedingungslos unterwürfig. Sie müssen all diese Eigenschaften haben, um ihren Polizeidienst effektiv zu machen.“ Genau so habe ich den Text aus dem Buch abgeschrieben. Diesen Ausschnitt des Buches konnte ich nie vergessen und auch das ist mir eingefallen, als ich mich nun mit allem auseinander setzte. Ich bewundere die Politiker der Länder, die den Mut aufgebracht haben, die weichen Drogen zu legalisieren. Die sogenannte Beschaffungskriminalität ist in den Ländern nicht mehr vorhanden. Zu mindest nicht für diese Droge. Wenn ich in meinem Schreiben diese Droge oft erwähne, so ist es nur deshalb, weil sie mich in diese Situation gebracht hat, in der ich mich nun befinde. Aber es ist nicht nur die Droge, auch die Gesetze sind es, die nach meiner Ansicht schon lange eine Reform benötigen. Und wer hat diese Gesetze geschaffen? Ich persönlich kann das nicht verstehen, wie Menschen Ideen haben, Dinge zu verbieten die niemandem ein Schaden bereiten, anderseits Dinge erlauben, die den Menschen großen Schäden zufügen. Ein guter Bekannter von mir hatte das Glück, einmal beim Lotto Millionär zu werden. Er konnte sich des Reichtums nicht lange erfreuen, lebte nur noch knappe 4 Jahre. Der Alkohol hat ihn im Alter von 46 Jahren getötet. Immer wieder fallen mir negative Dinge ein, die zu der legalen Droge erwähnenswert sind, was ich erlebte oder erfahre habe. Doch denke ich, es ist besser mit meiner Meinung etwas zurückhaltender zu sein, denn noch gibt es in unserem Land eine Institution, die darüber entscheidet, ob eine Sache der Öffentlichkeit zugängig gemacht werden darf, ob es gegen Moral, Ethik oder das Grundgesetz verstößt. In wie weit meine Schreiberei akzeptiert oder abgelehnt wird, das kann ich nicht beurteilen. Vielleicht habe ich die weiche Droge auch schon zu sehr verherrlicht, ins positive Licht gerückt, somit auch gegen die bestehenden Gesetze verstoßen. Doch denke ich, meine Gedanken kann und darf ich in einer Demokratie sagen und niederschreiben. So frei sollte doch wohl ein demokratischer Staat sein und dies akzeptieren. An ein Gespräch kann ich mich noch sehr gut erinnern, das meine Mutter kurz nach Kriegsende mit der Witwe eines Jagdfliegers geführt hatte, der über Berlin, seiner Heimatstadt, bei einem Einsatz abgeschossen wurde. Ich kam dazu und hörte meine Mutter zu der Frau sagen: „Weißt du Anneliese, ich war auch sehr bestürzt, als ich von Adolf seinem Tot hören musste. Ich habe ihn immer sehr bewundert, wie er da oben am Himmel gegen die feindlichen Bomber gekämpft hat“. Worauf die Frau zu meiner Mutter sagte: „Ach Trutchen, mein Adolf war doch kein Held, er hatte immer große Angst und wenn er die Pillen nicht bekommen und eingenommen hätte, er hätte nie da oben kämpfen können“. Auch ich kann mich noch an diesen Mann erinnern, er war nicht gerade als groß und kämpferisch zu bezeichnen. Eher als ein kleiner, bescheidener Mensch. Fliegen war seine große Leidenschaft und so ging er, als der Krieg begann, freiwillig zur Luftwaffe. Sicherlich hat dieser Mann dabei nicht ans Töten und Kämpfen gedacht. Sein Hobby sollte einfach nur sein Beruf werden. So hatte ich es dem Gespräch entnommen, welches die beiden Frauen führten. Als Kind machte ich mir schon damals Gedanken darüber, was eine Pille bewirken kann, um aus einem Angsthasen ein Raubtier zu machen. Heute weiß ich, was Drogen bewirken können und so bin ich fast sicher, dass damals auch Drogen verwendet wurden, um Menschen zu nützlichen Objekten zu machen.


Kapitel 8

Viele Leute habe ich kennen gelernt, den es nicht zu zutrauen war, denen es auch nicht anzusehen war, dass sie Haschisch rauchten oder damit etwas zu tun hätten. So habe ich bei einem Freund an der Tankstelle einen Mann kennen gelernt, der mir nicht unsympathisch war. Ich war in der Halle beim Schweißen meines Autos, als der Mann zum Tanken kam. Da auch er an seinem Wagen etwas zu schweißen hatte, kamen wir ins Gespräch. Er sah mir beim Schweißen zu und wollte dann gern, dass ich die Arbeiten an seinem Wagen etwas preisgünstiger ausführen sollte. Während der Unterhaltung wollte er etwas aus seiner Hosentasche nehmen, dabei fiel ein Stückchen Shit zu Boden. Er bemerkte es nicht, ich hob es auf und gab es ihm mit einem lächelnden Gesicht. Das war einer jener Menschen, die nicht wie Kiffer aussahen. Einige Tage später lernten wir uns näher kennen, als ich ihm den Wagen schweißte. Unsere Bekanntschaft wurde noch intensiver, denn immer, wenn ich bei meinem Freund war und er zum Tanken kam, haben wir uns eine Zeit lang unterhalten. So erzählte er auch von seinen Reisen nach Spanien und Marokko, wo er häufig hinfuhr. Eines Tages sprach er mich an und fragte, ob ich nicht mal Lust hätte, eine Reise mit nach Marokko zu machen. Es war - wie ich glaube - in den Jahren 1981 oder 82. Ich war zu der Zeit arbeitslos und auch ohne eine feste Beziehung. Ich sagte zu, besorgte mir einen Reisepass und regelte alle meine privaten Dinge, dann ging die Reise los. Über den Zweck der Reise wurde nicht gesprochen. Bewusst habe ich keine Fragen gestellt. Denn ohne viele Worte zu machen, wusste jeder, um was es geht. Es kam noch eine Frau und ihr 8jähriger Sohn mit auf diese Reise. Ich möchte dazu erwähnen, ich hätte mir diese Reise nie finanzieren können, somit war es für mich eine günstige Gelegenheit, auch einmal im Leben, den Kontinent Afrika zu sehen. Vielleicht habe ich auch aus diesem Grund nie mit dem Mann über die Motive dieser Fahrt geredet. Nach dem Prinzip: “Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!“. Bis heute habe ich diese Reise noch in guter Erinnerung und möchte erwähnen, ich habe es nie bereut, wenn ich mich damals auch am Schmuggeln beteiligte. Denn, dass es eine Beteiligung am Schmuggeln war, darüber gab es für mich kein Zweifel. Das, was ich vor gut 20 Jahren damit gemacht habe. Ich war nur ein brauchbares Objekt für diese Leute, so wurde ich auch behandelt. Ich wusste, Erfahrungen in derartigen Tätigkeiten hatten die Beiden, was ich ihren Unterhaltungen entnehmen konnte. Da ich sehr gerne reise, war das alles für mich mehr ein Vergnügen als eine anstrengende Tätigkeit. Wenn es auch beinahe 4500 km waren, die ich auf der Hinfahrt bewältigen musste, so war es für mich eine schöne und interessante Fahrt, denn ich habe viel gesehen und auch kennen gelernt. Von Frankreich habe ich nicht viel gesehen, denn es war nachts und wir sind dort nur durchgefahren. Einige Dinge, die sich von unseren Raststätten und Plätzen unterscheiden, sind mir besonders aufgefallen. Dort zahlen Fernfahrer in Raststätten für Speisen und Getränke nicht den vollen Preis. Ich wurde irrtümlich in einer Raststätte für einen Fernfahrer gehalten und meine Rechnung war um einiges niedriger, als die Rechnung meiner Begleiter, zumal ich das Gleiche verzehrt hatte. Auch die Rastplätze waren bei weitem sauberer, als die mir bisher bekannten Rastplätze in Deutschland. Was - wie ich annehme - daran liegt, dass in Frankreich Autobahnen privatisiert sind und für die Benutzung Gebühren erhoben werden. Für mich waren alle Erfahrungen, die ich machte, neu. So konnte ich sie auch nicht vergessen. Später bin ich noch sehr häufig durch dieses Land gereist, doch viel habe ich nie gesehen. Ich kannte nur die Route, die ich benutzte um mein Ziel - Spanien - zu erreichen. Diesmal war jedoch die Fahrt bis nach Marokko geplant und da war Spanien auch nur ein Land, durch das ich gefahren bin, wo ich kaum etwas kennen lernte. Doch lernte ich Hotels kennen, die ich bisher nur von außen sehen durfte, aber nie betreten habe. Es waren Fünf-Sterne-Hotels, in denen wir übernachtet haben. Durch Spanien sind wir zwei Tage gefahren, bis wir Algeciras, den Südlichsten Ort Europas, am Mittelmeer erreichten. Mit der Fähre, es war an diesen Tag die letzte, fuhren wir nach Tanger. Die Überfahrt dauerte, mit einschiffen und allem ca. zweieinhalb Stunden. Gegen 21.30 Uhr kamen wir in Tanger vom Schiff. Ich war beeindruckt von dieser Stadt, denn von Afrika hatte ich eine ganz andere Vorstellung. Riesige Hochhäuser ragten in den Himmel, es war für mich einfach überwältigend. In einem der Hochhäuser, was übrigens alles Hotels waren, haben wir unser Quartier bezogen, “Scheheresade“ oder ähnlich war der Name des Fünf-Sterne-Hotels. Um die Kosten brauchte ich mir keine Gedanken zu machen, die wurden alle von meinem Bekannten übernommen. Am darauf folgenden Tag habe ich mir Tanger etwas näher angesehen, ich war dann aber nicht mehr so begeistert von dieser Stadt. Denn ich habe auch die Armut in diesem Land gleich richtig gesehen. An jeder Ecke standen bettelnde Menschen, von alten Frauen und Männern bis zu 4jährigen Kindern war alles vertreten. Zu Fuß habe ich mich dann in Tanger nicht mehr auf die Straße gewagt. Noch am gleichen Tag holte sich mein Bekannter einen Mietwagen und erklärte mir, wie es weitergehen soll und was ich zu tun habe. In 8 bis 10 Tagen wollten wir uns dann auf dem Airport in Rabat gegen 10.00 Uhr vormittags in der Abflughalle treffen. Ich sollte ab dem 8. Tag dort täglich vorbei schauen und nur eine Stunde warten. Er und die Frau sind dann mit den Mietwagen ins Rif-Gebirge nach Kitama gefahren. Ich war für die ganze Zeit Babysitter, habe mit dem 8jährigen Bengel in der Nähe von Rabat Urlaub gemacht. Begeistert war ich nicht von dieser Tätigkeit, denn der Bengel hatte keine Ohren, so kam es mir immer vor, wenn ich ihm etwas sagte. Es war nicht einfach, mit einem Jungen die Zeit zu verbringen, der einem völlig fremd ist und von dem man nichts weiß. Doch auch diese Zeit habe ich überstanden. Media Plac - so oder ähnlich nannte sich der Ort, an dem wir die Zeit verbrach- ten, es war ein Ort direkt am Atlantischem Ozean, in der Nähe von Kinetra. Um auch etwas mehr zu sehen und kennen zu lernen, haben wir auch Rabat besucht und uns diese Stadt näher angesehen. An einer Durchgangsstraße, die außerhalb der ummauerten Altstadt vorbei führte, parkte ich mein Auto. Eine alte Frau hat sich sofort an den Wagen gelehnt und mir zu verstehen gegeben, dass sie den Wagen bewachen wird. Ein vorbei laufender Passant, es war ein ziemlich gut deutsch sprechender Franzose, blieb stehen und hat mir dann erklärt, was die alte Frau wollte. Es gibt in Marokko viele Franzosen, die dort als Lehrer ihren Lebensunterhalt verdienen. Ich war dann mit dem Jungen ungefähr 6 Stunden in der Altstadt von Rabat, denn es gab dort viel zu sehen. Was mich so erstaunte, waren die elektrischen Leitungen, blanke unisolierte Kabel hingen über defekten Isolatoren, welche an den Häusern angebracht waren. Bei etwas stärkerem Wind sah ich, wie es an den Drähten blitzte, wenn sie sich berührten. Diese Art von Stromversorgung wäre bei uns im Land undenkbar. Über viele Sachen war ich mehr als erstaunt. An jedem Haus habe ich die mit kunstvollen Verzierungen versehenen Türen bestaunt. Auch an Häusern, die den Eindruck machten, als seien sie unbewohnt und würden einstürzen, waren die Haustüren alle im guten Zustand, Wunderwerke der Holzschnitzerei. Ich konnte mich daran nicht satt sehen. Die Dämmerung erinnerte mich erst wieder an die Zeit. So gingen wir zum Wagen zurück, wo zu meinem großen Erstaunen die alte Frau immer noch auf dem Kotflügel meines Wagens saß. Mir war klar, dass ich der Frau einen Lohn für das Bewachen des Autos schuldig war, was ich mit zwei 10-Diram-Scheinen tat. Die Reaktion der Frau war mir dann unverständlich. Sie reichte mir mit wortreichem Gezeter die zwei Geldscheine zurück, die ich nicht zurück nehmen wollte, und sie unverständlich ansah. Einige Passanten blieben stehen und hörten sich alles an. Sie konnten zwar diese Frau verstehen, mich jedoch nicht. Einige redeten auf die Frau ein, andere versuchten mir etwas verständlich zu machen. Gesten konnte ich entnehmen, dass die Frau das Geld ablehnte, denn durch das Verhalten der Leute glaubte ich so etwas zu verstehen, wie, es sei zu wenig. Worauf ich ihr noch einen 10-Diram-Schein geben wollte. Auch damit habe ich falsch gelegen. Ca.15 bis 20 Leute standen nun um uns herum und versuchten vergeblich, Klarheit zu schaffen. Es war erfolglos. Die rettende Hilfe kam durch einen Angestellten aus dem marokkanischen Königshaus, der sich in einem dunklen Mercedes näherte und anhielt. Ein jüngerer Mann entstieg dem Gefährt, sicherlich angelockt durch den Auflauf um mich und meinem Fahrzeug. Er fragte in einem gut zu verstehenden Deutsch, worin hier die Probleme liegen. Ich verwies ihn zuerst an die Frau, um zu erfahren, was ich für einen Fehler gemacht hatte. Mit einem freundlichen Lächeln wandte er sich an die Frau. Ich denke aber, er hatte längst erkannt, worum es hier ging. Nur ganz kurz redete er mit meiner Widersacherin, dann kam er zu mir, stellte sich als einen Angestellten des Königshauses vor und erklärte mir auch den Grund seiner deutschen Sprachkenntnisse. Er habe in Deutschland studiert. Danach sagte er mir, warum die Frau so gar nicht mit der Entlohnung einverstanden war. Der Lohn für das Bewachen eines Autos beträgt in der Regel nicht mehr als zwei Diram pro Tag. Ich möge doch bitte das Geld zurücknehmen, ihr stattdessen 5 Diram geben. Darüber wäre die Frau sicher erfreut und ihr guter Ruf sei in keiner Weise geschädigt. Ich befolgte den Rat des Fremden und alles hat sich zum Guten und zur Zufriedenheit aller Anwesenden gelöst. Ich machte mir darüber viele Gedanken, denn was ich in Tanger kennen lernte, stand ganz im Gegensatz zu einer anderen Stadt im gleichem Land. In Tanger musste ich Kindern die Hände aus meiner Hosentasche ziehen, fast jedes zweite Kind lebte dort vom Taschendiebstahl. In Rabat macht eine Frau einen halben Volksaufstand, weil sie zu hoch entlohnt wurde. Marokko ist ein Land voller Widersprüche und doch habe ich es lieben gelernt.

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