Mitte Februar lernten Herr Dr. Hoffmann und ich uns auf meiner Vernissage kennen. Er erzählte mir, daß er mit der Kita Seestraße gerade mit dem Projekt "Augen – Abenteuer Berlin" zu Gange wäre. Er erklärte mir weiter, was im Projekt mit den älteren Kindergartenkindern besprochen und was dort thematisiert wird. Bei den Berlin–Exklusionen stießen die Kinder häufig auf Markierungen und Hilfen für blinde Menschen z.B. geriffelte Linien an Bahnsteigen und auch im öffentlichen Raum, z.B. die Blindenschrift in Straßenbahnen, S–Bahnen und Fahrstühlen usw..
Das führte dazu, das die Kinder auf das Thema „Sehgeschädigt“ viel sensibler heran gingen und somit aufmerksamer darauf achteten und nun bewusster durch die Stadt Berlin gingen und diese daher anders wahrnahmen.
Das beeindruckte mich sehr, was Herr Dr. Hoffmann mir da berichtete. Sodass ich mich gleich selber anbot, mal in die Kita zu kommen, falls dies gewünscht wird. Ich bin ja der Meinung, daß so etwas jeder Zeit unterstützt werden sollte, damit die Hemmschwellen erst gar nicht entstehen.
Herr Dr. Hoffmann war gleich Feuer und Flamme davon und sagte, er würde dies in der Kita ansprechen und mich dann diesbezüglich informieren. Das tat er dann auch schon nach einigen Tagen. Die Erzieherinnen der Kita Seestraße waren davon gleich so angetan, daß sie zustimmten, daß ich unbedingt zu ihnen in die Kita kommen sollte.
Anfang April fuhr ich dann mit meinen Hilfsmitteln mit der S–Bahn nach Hermsdorf. Von dort holte mich dann Herr Dr. Hoffmann vom Bahnsteig ab. Mit dem Auto fuhren wir dann noch einige Minuten bis wir an der Kita waren.
Herr Dr. Hoffmann führte mich dann zu den bereits wartenden Kindern in den Gruppenraum. Sie saßen schon in einem Stuhlkreis zusammen und ein Stuhl war schon für mich bereitgestellt.
Die Kinder und Erzieherinnen stellten sich nach einander vor. Dann erzählte man mir, das die Kinder Im Rahmen des Projektes “Augenabenteuer – Berlin” auf den Besuch von mir schon durch die Erzählungen von Herr Dr. Hoffmann vorbereitet wurden. Er hatte ihnen meine Kunstwerke per der angefertigten Kunstkarten gezeigt und eine Erzieherin hatte mit den Kindern ihre Namen in Blindenschrift geschrieben. Durch Spiele, bei denen sie die Augen verbunden bekamen und sich auf ihr Gehör oder auf ein anderes Kind verlassen mussten, wurden sie behutsam auf das Thema "Sehbeeinträchtigung" vorbereitet. So sahen die Kinder dem Besuch mit Spannung entgegen und freuten sich schon darauf mich doch endlich kennen zu lernen.
Nun war ich an der Reihe mich vorzustellen. Dazu setzte ich mich mit meinem mitgebrachten Utensilien in die Stuhlkreis Mitte. Holte nach und nach jedes mitgebrachte Utensil aus meinem Rucksack. Dabei berichtete ich den Kindern, aus meinem Leben und darüber, dass ich auch als Erzieherin in einem Kindergarten tätig bin. Anschließend zeigte ich die Utensilien, die mir dabei helfen, mein Augenlicht teilweise auszugleichen, wie z.B. ein Farbscanner, der mir mitteilt, welche Farbe meine Kleidung hat. Oder ein kleiner Apparat, der wie eine kleine Schreibmaschine funktioniert und die Wörter in Blindenschrift schreibt. Das "Mensch ärgere dich nicht Spiel" hatte ich auch mitgebracht und natürlich die Uno–Karten durften nicht fehlen. Am liebsten hätten die Kinder gleich mit mir Uno und Mensch ärgere dich nicht gespielt.
Ich zeigte auch Kinderbücher, die für blinde Kinder gestaltet wurden. Das entzückte die Kinder sehr. Sie wollten sie auch gleich anfassen und anschauen. Leider war die Zeit schon sehr weit fortgeschritten sodass dazu wenig Zeit blieb.
Die meisten Kinder zeigten sehr großes Interesse und stellten ihre vorbereiteten Fragen an mich: Wie ich das etwa mit dem Einkaufen mache, wie ich schreiben kann, wo ich doch nichts sehe.
Wie ich mein Bett finde, wie ich wieder nach Hause komme oder ob ich noch Erinnerungen an Farben habe. Besonders interessierte die Kinder, wie man Fußball spielt, wenn man doch nichts sieht.
Ich erklärte ihnen, daß es einen Ball gibt, der unter dem Leder Rasseln hat und dadurch hört man ihn sehr gut. Die nicht sehenden Fußballspieler laufen nach Gehör. Es sind insgesamt nur vier Feldspieler auf dem Feld auf jeder Spielseite und einer im Tor und der muss allerdings sehen können. Das ist ein ganz schnelles und auch Kraft aufreibendes Spiel! Daher müssen wir auch viel trainieren, um dort gut mit machen zu können. Am Ende meines sehr ausführlichen Berichts sagte Herr Dr. Hoffmann, das er von meinen gemalten Bildern kleine Kunstkarten angefertigt habe, die er den Kindern gerne als Andenken an diesem so herrlichen Besuch von mir, überreichen möchte. Er forderte die Kinder auf, mit ihrer Karte zu mir zu gehen und sie mir zu versuchen zu beschreiben, Er sei schon sehr gespannt darauf, ob ich das eine oder andere gemalte Bild von mir nach diesen Beschreibungen wieder erkennen würde.
Die Kinder beschrieben mir, welches Motiv sie haben. Ich war selbst erstaunt, wie gut ich sie nach den Beschreibungen der einzelnen Kinder erriet. Ich spürte ganz genau, wie sehr es ihnen Freude bereitete sie mir so gut wie möglich zu beschreiben, sodass ich sie tatsächlich auch einige Male wunderbar erkannte.
Eine Beschreibung lautete: „Ich hab drei Kreise, einen orangen, einen grünen, einen blauen, einen roten Vogel und dann noch Punkte und Straßen“ Ich war so baff, wie gut es ihnen gelangm mir etwas zu beschreiben, was mehr oder weniger nur abstrakt war.
Bald war es an der Zeit, das ich gehen mußte und so sangen sie mir noch ein Frühlingslied zum Schluß.
Bevor ich von Herrn Dr. Hoffmann nach Hause gefahren wurde hatten die Erzieherinnen noch zum Dank für meinen Besuch einen Kaffeetisch vorbereitet.
Das rührte mich zutiefst, da ich damit nicht gerechnet hatte. Nun erfuhr ich, das bei den Vorbereitungen auf meinen Besuch hin, die Idee entstand, mit den Kindern ein Buch der Ausflüge in Berlin so zu gestalten, daß blinde Menschen dies ebenfalls wahrnehmen können. Ob ich dafür die kleinen Texte von den Kindern in Blindenschrift anfertigen könnte. Ja sicher sagte ich und so kam es auch. Das mir eine der Erzieherinnen diese per E–Mail zu sandte. Sie versprachen mir auch, eines für mich anzufertigen. Darüber freue ich mich schon sehr. Herr Dr. Hoffmann und die Erzieherinnen luden mich in diesem Rahmen auch zur Vernissage am 19. Juni zu ihnen in die Kita ein. Bei der Vernissage sollten die Zeichnungen der Kinder präsentiert werden, die Auszüge von Berlin zeigen; Die während des Projekts – "Augenlicht – Abenteuer" Entstanden waren.
Auf der Webseite der Kita Seestraße steht vom Besuch von mir zu lesen:
Der Besuch von Frau Korn wurde als sehr bereichernd empfunden, weil allen die Lebenswelt blinder Menschen näher gebracht wurde...
Das freut mich sehr, daß dies mir gelungen ist einen Einblick in das Leben eines blinden Menschen, so anschaulich aufgezeigt zu haben, daß man dies sich jetzt besser vorstellen kann.
Der 19. Juni rückte sehr bald näher und mein Mann und ich machten uns mit den öffentlichen Verkehrsmitteln auf den Weg nach Hermsdorf zur Kita Seestraße.
Um 18:30 Uhr eröffnete Barbara Rüdiger mit einleitenden Worten an das Publikum und Danksagungen an alle Beteiligten das Programm. Und dann hieß es bei einer Stadtrundfahrt der besonderen Art "Augen auf"! Sprichwörter und Redensarten, die das Auge zum Inhalt hatten, wechselten mit kleinen Berliner Szenen und Gedichten und Liedern. Die Musik führte das Publikum von Pankow über Rixsdorf an den Wannsee. Und überall gab’s Berliner Luft. Anhaltender Applaus krönte schließlich die gelungene Darbietung zum Thema "Augenabenteuer Berlin".
Herr Dr. Hoffmann beendete mit einer kurzen Zusammenfassung des Projektes und weiteren Danksagungen den künstlerischen Teil des Abends. Alle Achtung muss ich an dieser Stelle sagen, wie gut die kleinen Künstler dies darboten. Auch wie gut sie es gelernt hatten zu berlinern. Sodass man wirklich glaubte sich mitten in Berlin zu befinden. Toll, was die Erzieher, Herr Dr. Hoffmann und die Kitakinder auf die Beine gestellt hatten. Ich fühlte mich gut unterhalten.
Den krönendenAbschluss bildete die Übergabe eines der zwei Exemplare von den Kindern in Prickeltechnik gestalteten Stadtführers von Berlin an mich. Das rührte mich so sehr, als mir ein Kind dies überreichte.
Im Anschluss wurde der kulinarische Aspekt Berlins an einem durch die Eltern ausgestatteten Buffet in Augenschein genommen.
Durch Akkordeonmusik und weitere Alt–Berliner Lieder begleitet.
Herr Dr. Hoffmann hatte für mich eine Überraschung an diesem Abend vorbereitet. Er hatte einen Tisch in dem Raum platziert wo auch das Büfett aufgebaut war. Er hatte weitere Kunstkarten von meinen gemalten Werken für mich angefertigt sodass ich sie an dem Abend verkaufen konnte. Ich hatte ihm mal berichtet, das ich mich für Menschen die taubblind sind einsetze, indem ich Fotos von meinen gemalten Bildern verkaufe. Daß ich dann das erworbene Geld ans Oberlinhaus spende. Ihn hat das so imponiert und gefreut, daß ich dies selbst in die Hand genommen habe, anderen zu helfen, wo ich doch selbst gehandicapt bin. Er möchte mich damit unterstützen – und auch sich bedanken, das ich ohne viel Aufwand zu ihnen in die Kita gekommen bin. Wieder war ich so gerührt über diese so rührende Geste, daß ich innerlich von meinen eigenen Gefühlen völlig berührt war. Ich dürfte die Kunstkarten sehr gerne mit nach Hause nehmen und so verwenden, wie ich das gern möchte, sagte Herr Dr. Hoffmann noch am Ende zu mir. Ganz herzlichen Dank für den so schönen gestalteten Stadtführer (Berliner Sehenswürdigkeiten für Blinde, der sehr gut gelungen ist und den ich als nicht Sehende gut mit den Fingern betrachten kann.
Die Eltern haben mir gestattet, das ich die Fotos, die beim Besuch von Herrn Dr. Hoffmann geknipst wurden, bei mir auf der Seite zu veröffentlichen.
Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal für alles bei Herrn Hoffmann und Erzieherin wie auch Kindern mit ihren Eltern bedanken! Ich werde sehr gerne im nächsten Jahr wieder zu Ihnen in die Kita kommen! Sie haben mir eine wunderschöne Zeit unter Ihnen allen bereitet!
http://www.inakindergarten.de/kitas/seestrasse.php