Vor der Sommer–Ferien–Schließung nahm Silke, eine Erzieherin der Kita Wildfang über meine Homepage Kontakt zu mir auf, da sie gerade mit den Kindern in der Kita, das Thema welche Formen von Kommunikation gibt es, behandelt.
Sie möchte den Kindern aufzeigen, daß es viele verschiedene Wege gibt, wie man kommunizieren kann. Z. B. wenn der visuelle Sinn nicht mehr oder sehr wenig funktioniert. Wie können dann noch Menschen lesen, malen wenn sie nichts sehen?
Um den Kindern dies besser zu verdeutlichen, wie wir die nichts sehen können, mit unseren verbliebenen Sinnen doch einiges wahrnehmen und dennoch mit Beeinträchtigung das Leben wunderbar zu meistern, lud sie mich herzlich zu sich in die Kita ein. Ich nahm die Einladung sehr gerne an.
Die Kita befindet sich im einem großen Aufbauhaus auf einem Dach in Kreuzberg.
An einem Freitag im August war es dann so weit und ich fuhr mit der U–Bahn zum verabredeten Treffpunkt. Silke holte mich vom Bahnsteig ab und gemeinsam gingen wir zur Kita.
Wir stiegen in einen Fahrstuhl der uns in das 4. Stockwerk brachte.
Es war schon ein Stuhlkreis vorbereitet und ein Tisch für meine mitgebrachten Anschauungsmaterialien stand bereit. Zwölf Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren waren zum offen gehaltenen Projektangebot erschienen. Das freute mich sehr.
Wir stellen uns nacheinander vor.
Anschließend zeige ich, was ich alles mitgebracht habe. Zuerst hole ich die Bücher aus dem Rucksack.
Das Bilderbuch "Die kleine Maus sucht einen Freund", das eine Bekannte für mich umgestaltet hat.
Die farbigen Zeichnungen wurden mit haptischen Materialien und Blindenschrift versehen. Dadurch kann auch ich das Buch ohne Probleme betrachten und vorlesen.
Ich zeige das Buch im Kreis herum und ein Mädchen erkennt gleich den wilden Löwen an der felligen Mähne und die Giraffe an den haptischen Punkten im Buch.
Ein weiteres Buch halte ich in den Kreis, das beinhaltet Zahlen und Buchstaben die ebenfalls zu ertasten sind. Die Kinder sind hoch begeistert. Manchmal möchten die Kinder bei mir in der Kita aber auch mit mir spielen, sage ich und zeige auf das Mensch–ärgere–dich–nicht–Spiel für Blinde.
Ein Junge meint: „Bei uns kann man das aufklappen“. Ich erkläre, daß man mein Spielbrett nicht aufklappen kann, weil es sonst instabil ist, wenn ich darauf mit den Fingern den Spielverlauf abtaste.
Weiter berichte ich, dass die Spielsteine je nach Farbe oberhalb der Figur verschieden geformt sind, um sie so leichter auseinander halten zu können und daß man sie in das Spielbrett stecken kann, so daß sie nicht umfallen, wenn ich mit den Fingern auf dem Spielfeld herum taste.
Ich habe einen Ball dabei, den ich hören kann, sage ich freudig. „Und wie spielst du denn Fußball“ fragen mich die Jungen neugierig? Indem ich diesen Ball hier dafür nutze. Er hat innen ein Glöckchen. so können wir die nichts sehen, ihn wunderbar hören. Ich zeige ihnen in meinem Kinderbuch "Wie Mama mit der Nase sieht" wie das aussieht, wenn wir Fußball spielen. Das gefällt den Jungen sehr und sie sind völlig baff, daß das wirklich möglich ist.
Dann packe ich Spielkarten aus. „Uno, Uno, letzte Karte!“ rufen die Kinder im Chor. Damit ich mit meinem Sohn spielen konnte, habe ich jede Karte mit der Blindenschrift versehen, sage ich.
Am liebsten würden die Kinder gleich mal auf der Stelle das Kartenspiel mit mir ausprobieren wollen; leider ist die Zeit dafür zu knapp.
Ich nehme dann eine sprechende Eieruhr in die Hand. Diese erleichtert mir den Alltag in der Küche, sage ich begeistert. Ich habe auch eine Armbanduhr, wo sich der Uhrendeckel aufklappen lässt. Dadurch kann ich dann mit den Fingern auf dem Ziffernblatt die Uhrzeit ablesen. Stolz demonstriere ich das und reiche diese dann im Stuhlkreis herum.
Auf einer Braille–Stenomaschine schreibe ich die Namen der Kinder und Erzieherinnen in Blindenschrift. Sie freuen sich sehr über die Stenostreifen. Diese wollen sie später in das Projektbuch kleben, welches sie noch alle gemeinsam anfertigen werden, erklärt Silke strahlend.
Besonders fasziniert sind sie vom Farberkennungsgerät. Die Kinder kommen nacheinander zu mir um sich von mir sagen zu lassen, was für eine Farbe ihr T–Shirt usw. hat. Ich finde mit dem Gerät heraus, welche Farbe ihr Kleidungsstück hat.
Doch nicht immer ist es verlässlich. Bei karierten oder gestreiften Stoffen, Materialien, die glänzen und neue Modefarben, die das Gerät nicht kennt, lässt es sich in die Irre führen. Leider leider wird dieses Farberkennungsgerät doch langsam alt, sage ich sentimental und ein moderneres sollte her, das eine bessere Farberkennung hat.
Ich zeige dann den Kindern, wie ich den Blindenstock im Alltag und im Straßenverkehr einsetze um mich sicher bewegen zu können.
Ein Junge weist ganz wichtig auf die Rillen an den Treppen im U–Bahnbereich hin: Das heißt so viel, z. B. sagt er: „Achtung Treppe – und hier ist z. b. der Ampelpfahl.“ Ich erläutere, dass so manche Ampeln ein Signal von sich geben, so daß die Blinden sicher die Straße überqueren können, weil sie nun wissen das es grün ist.
Wie erkenne ich Geldscheine, Münzen fragen sie interessiert nach. Dafür habe ich ein Hilfsmittel und entnehme aus meiner Handtasche den "Cashtest" und Silke reicht mir einen Geldschein. Ich lege den Geldschein in den "Cashtest" und sage daß es 10 Euro sind. Das versetzt sie alle total in erstaunen.
Am Ende wollen die Kinder noch wissen, wie ich male. Eine der Erzieherinnen reicht mir einen Pinsel um mich den Kindern dies zu demonstrieren zu lassen.
Ich nehme den Pinsel dicht oberhalb der Borsten in die Hand, um damit in direktem Kontakt mit Pinsel und Leinwand zu sein. Ich berichte weiter, daß ich oft nur einfach meine Hände als Malwerkzeug nehme.
Jojiro, rufen die Kinder total erstaunt aus.
Die Kinder sind verblüfft, daß ich im Grunde eigentlich nur einige wenige Hilfsmittel benötige, um mein Leben einfach zu leben.
Der Besuch bei Euch liebe Wildfangkinder und liebe Silke, hat mir so super gut gefallen, daß ich liebend gern wieder zu Euch in die Kita komme!